Demodiversitäten: Reaktionäre auf Tuchfühlung
Am Samstag demonstrieren Linke und Rechte gegen Pierre Vogel. Von rechts kommen merkwürdige Annäherungsversuche an den bekannten Salafisten.
Viel los also am Samstag in der Innenstadt rund um den Bahnhof: Die Polizei rechnet mit 500 Vogel-AnhängerInnen und 50 TeilnehmerInnen auf der Kundgebung auf der Bürgerweide, der von Meier, dem früheren „Bürger in Wut“. Bei der linken Kundgebung, die sich gegen Salafismus und Rechtspopulismus richtet, rechnet die Polizei mit 200 TeilnehmerInnen. Deren Motto: „Kein Gott. Kein Staat. Kein Kalifat“.
Das linke Bündnis aus antifaschistischen Gruppen, kurdischen Verbänden, der Linksjugend und dem Hochschul-AStA mobilisiert auf den Bahnhofsvorplatz. Bündnis-Sprecher Tobias Helfst kritisiert sowohl Vogel als auch Meier als „sexistisch“ und „sozial-rassistisch“.
Meier wehrt sich vehement gegen solche Vorwürfe. Seine Kundgebung richte sich „an die gesellschaftliche Mitte“, sagte er der taz. Und rechtsextremistische TeilnehmerInnen? Schließt Meier nicht aus, solange sie sich an seine „Hausordnung“ hielten. Aber: „Dass rechte Hooligans und NPD-Mitglieder erscheinen werden, liegt allein an der Berichterstattung“, so Meier. Der Weser-Kurier habe ihn in die rechte Ecke gestellt. Die einzige Bedrohung am Samstag geht für Meier von der „Linksautonomen Antifa“ aus.
Mit dem Prediger Vogel hingegen stehe er im Kontakt, sagt Meier: Ihr Verhältnis sei „respektvoll und vernünftig“. Überhaupt habe er kein großes Problem mit dem Salafisten: Er begrüße dessen Distanzierung vom IS und bewerte diesen Schritt als „mutig“, schließlich stehe Vogel nun auf dessen Abschussliste. Trotzdem will Meier demonstrieren – wegen Vogels Frauenbild.
Helfst überrascht diese Annäherung, aber letztendlich würden beide damit politisch Farbe bekennen: „Sie verteidigen nur unterschiedliche Identitäten.“ Sowohl Rechte als auch Salafisten verträten eine diskriminierende Ideologie. Von Vogels Absage an den IS könne man nicht auf eine plötzlich aufklärerische Einstellung schließen, sagt Helfst: „Vogels einziges Problem besteht darin, dass der IS andere Islamisten unter Druck setzt. Seine eigene Sorte Islamismus soll die einzige sein.“
Helfst berichtet indes von ungewöhnlichen Auflagen, die ihm die Polizei angekündigt habe. Etwa solle er OrdnerInnen benennen, was bei einer stationären Kundgebung sehr unüblich sei. Helfst vermutet, dass die Polizei große Angst vor islamistischen Anschlägen habe.
Tobias Helfst, Linkes Bündnis
Details zum Einsatz gibt die Polizei aus taktischen Gründen nicht bekannt. Die Polizei plane die drei angemeldeten Kundgebungen voneinander zu trennen und deren „Versammlungsfreiheit zu gewährleisten“, sagte Polizeisprecher Nils Matthiesen. „Das hat auch bei Vogels letztem Besuch 2014 gut geklappt“. Dafür werde die Theodor-Heuss-Allee komplett gesperrt. Zur Bedrohungslage wollte er sich nicht äußern: „Die Polizei spekuliert nicht.“ Konkrete Hinweise auf Gewalttaten gebe es keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln