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Bei Volkswagen stehen die Bänder stillZulieferer liefern nicht mehr zu

Wenn bei der Just-in-Time-Produktion einzelne Werkteile fehlen, geht gar nichts mehr. Zulieferer boykottieren VW wegen des ruinösen Wettbewerbs.

Golf-1-Produktion 1975 in Wolfsburg Foto: dpa

Wolfsburg/Berlin dpa/taz | Bei VW in Wolfsburg steht die Golf-Produktion. Es ist zwar nicht der erste Stopp in der größten Autofabrik der Welt, der Grund allerdings ist einmalig: Volkswagen liegt im Clinch mit zwei Zulieferern, die sich weigern, Teile nach Wolfsburg zu verfrachten. Worum es dabei genau geht? Darüber schweigen sich die Konfliktparteien aus. Zulieferer klagen seit Jahren darüber, dass die Automobilkonzerne ihren Kostendruck an sie weitergeben und so einen ruinösen Wettbewerb auslösen.

Die ES Automobilguss aus Sachsen jedenfalls liefert Gussteile für Getriebe, bei CarTrim aus Plauen geht es um Sitzbezüge; beide gehören zur Prevent-Gruppe, die auch Kleidung, Möbel, Segeljachten oder Bremsen herstellt. Aufgrund der Just-in-Time-Produktion werden Teile in Fabriken sofort verbaut, es gibt fast keine Lager mehr – das wird VW jetzt zum Verhängnis.

Volkswagen zieht im Kampf gegen Prevent alle Register: Der Konzern droht den Managern mit Ordnungshaft; vor dem Landgericht Braunschweig erwirkte VW eine einstweilige Verfügung zur Lieferung der Teile. Voraussetzung dafür ist, dass es für den Kläger „existenzbedrohend“ wäre, den Ausgang des regulären Gerichtsverfahrens abzuwarten, erklärte Anwalt Markus Wollweber der dpa.

Der Lieferant der Getriebeteile hat dagegen Widerspruch eingelegt. Trotzdem ist die Entscheidung schon jetzt vollstreckbar. Dem Gericht zufolge hat VW bereits beantragt, dass den Zulieferern ein Ordnungsgeld an­gedroht wird. Darüber muss das Gericht nun entscheiden. VW könnte auch überlegen, einen Gerichtsvollzieher vorbeizuschicken. Der müsste ein Fuhrunternehmen beauftragen, der Gerichtsvollzieher wäre befugt, die Werkstore der Zulieferer aufbrechen zu lassen.

Der Produktionsstopp für den Golf soll vorerst bis zum 29. August dauern. Ob auch Kurzarbeit nötig wird, ist in Klärung. Für das Passat-Werk im ostfriesischen Emden ist das schon der Fall, rund 7.500 Mitarbeiter sind betroffen. Kinderlose erhalten dann regulär nur 60 Prozent ihres Lohnes; VW stockt das Kurzarbeitergeld aber auf, Geringverdiener kommen auf bis zu 90 Prozent ihres Gehaltes.

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12 Kommentare

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  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Sich nur auf einen Zulieferer zu verlassen ist unverständlich. Da könnte es auch aus anderen Gründen zu Lieferstopps kommen. Da scheint doch mehr dahinter zu stecken. Wenn sich da mal nicht schon der nächste VW-Skandal anbahnt.

  • In der Tat kann erst geurteilt werden, wenn die sachlichen Zusammenhänge bekannt sind. Ein Entscheidung darüber, wer der Böse ist, kann derzeit von Außenstehenden nicht getroffen werden.

     

    Aber auch in altbewehrter BRD-Tradition den Klassenkapf ins Lächerliche zu ziehen, zeugt von Dummheit. Das ist nichts weiter als ein krampfhaftes Bewahren heiliger Wirtschaftsgläubigkeit.

     

    Der Zusammenhang ist nämlich sehr wohl monokausal, passt aber nicht in das Konzept mancher Schreiberlinge. Wenn ich die Anzahl der Freiheitsgrade beschränke, verringert sich die Zahl der Komponenten. Die einzige Antriebskraft zur Gestaltung von Rahmenverträgen mit Lieferanten ist das Ausquetschen des Lieferanten. Ich habe in einem Unternehmen gearbeitet, wo es das firmeninterne Projekt "Dagobert" gab. Jeder Einkaufsmitarbeiter war am Ende des Monats gehalten eine Aufstellung darüber abzugeben, wieviel er selbst noch bei den Verhandlungen mit Lieferanten zusätzlich zu den Vertragsbedingungen an Geld der Firma gespart hat.

     

    Der Lieferant wird ebenfalls ähnlich handeln und das bewirkt am Ende eine Abhängigkeit, wo schon geringste Abweichungen das gesamte System zum Einsturz bringen können.

     

    Im Gegensatz dazu stehen als anderes Extrem die ehemaligen Kombinate, welche autark waren und bis auf Halbzeuge alles selbst produzierten.

     

    Der Mittelweg wäre statt einer einsamen Bergspitze aus optimaler Kostensenkung eine breite Kuppe, die stabile Gewinne garantiert, welche aber nicht so hoch ausfallen. Doch genau das haben die neoliberalen Hajek-Jünger nie verstanden. In ihrer sektiererischen Fortschrittsgläubigkeit verließen sie sich auf Risikoprognosen, die ihnen der Computer errechnete und verschlankten den Bereich gesicherten Ertrages bis zum kritischen Punkt. Kasinomentalität eben.

     

    Solche Vorkommnisse wird es häufiger geben und ist auch durch einen totalitären Marktstaat, wie er durchgesetzt werden soll, nicht zu vermeiden. Denn Risiken sind oft Zufallsgrößen.

  • Es muss schon viel passiert sein damit ein Zulieferer bewusst bei VW einen Bandstillstand verursacht.

    Im Normalfall setzt auch ein Zulieferer seine Energie ein um genau das zu verhindern.

     

    Ich schätze mal der Lieferant hatte Qualitätsprobleme und auch sämtliche Eskalationslevel brachten keinen Erfolg.

    Deswegen wurde der Vertrag gekündigt - wahrscheinlich erst als man Ersatz hatte.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Ich verstehe den zweiten Teil nicht. Der Vertrag zwischen VW und den Lieferanten wurde ja nicht gekündigt - VW braucht die Teile dringend und könnte sogar Gerichtsvollzieher beauftragen. Das geht ja nur, wenn der Vertrag noch gültig ist. Oder was meinst Du damit?

      • @Sophie Kowalski:

        Es geht um andere Produkte.

         

        Ich vermute! bei einem andere Produkt (und sei es Situbezüge für andere Baureihen) hatte der Lieferant Probleme, kam ins Eskalationslevel und hat dort die DeeskalatIon nicht geschafft.

        Und bei denen hatte dann VW das große Glück irgendwo anderes Ersatzkapazitäten zu finden.

         

        Also Lieferantenwechsel und eine kurze knackige Kündigung.

         

        Alternativ kann auch ein "Warenfilter" bei VW verlangt worden sein den natürlich der Lieferant bezahlt (bei Sortierfirmen die von VW vorgeschriebenen werden)

        Das ist teuer.

  • Ohne Details zu wissen ist alles Spekulation. Sicher die Zulieferer sind dem Konzern ausgeliefert, der ihnen ruinöse Vertragsbedingungen aufoktroyiert. Offensichtlich hängen aber nicht nur die Zulieferer von VW ab, sondern auch umgekehrt.

    Vielleicht sollte man, wenn man nichts weiss auch nichts schreiben?

  • @tfg

    Klingt ja super, aber solche monocausalen Zusammenhänge sind in der heutigen Zeit doch sehr selten. Es ist eben nicht der kampf des armen unterdrückten gegen den klassenfeind, der seine anwaltsvampire in den ring schickt. Schauen sie sich an, wer hinter der prevent gruppe steht. Personen, die gezielt zulieferer aufkaufen und natürlich rendite erwarten. Um beurteilen zu können, wer da moralisch eher im recht ist, müsste man deutlich tiefer in der materie drin sein.

    Zu vergleichen etwa mit den streiks der gdl. Komplex halt....

  • Endlich wehrt sich mal jemand gegen die, die sich aufführen, als ob sie sich für die Herren des Universums halten und offenbar glauben, daß Gesetze nur zum eigenen Vorteil und zur Bestrafung anderer da sind. Das selbstherrliche Verhalten - nicht nur der Manager dieser Automobilbau AG - ist für eine demokratische Gesellschaft ein Skandal. Und das nicht erst seit den - meiner Meinung nach - betrügerischen Abgasmanipulationen dieser Aktiengesellschaften auf Kosten der Gesundheit von ungezählten Millionen von Nicht-Autofahrern.

    • @TFG:

      Meinen Sie bei anderen Firmen läuft das anders? Je größer der Kunde, desto erpresserischer verhält er sich. Habe es in der Praxis oft genug erlebt. ES Automobilguss macht es vermutlich nicht anders bei seinen Zulieferern. Gewinnmaximierung und Shareholder-Value über alles. Am besten man versucht sich nicht erpressbar zu machen. Also nicht nur einen Zulieferer und einen Hauptkunden haben, so dass man es sich auch mal leisten kann 'Nein' zu sagen. Aber für viele Firmen ist das natürlich reines Wunschdenken.

      Am besten sind die, die erst erpressen, man geht auf deren Forderungen ein und investiert extra und dann wird trotzdem der Vertrag gekündigt. Auch das schon mehrfach erlebt.

      Moral und Ethik existieren nicht auf der Chefetage. Als der Abgasskandal bekannt wurde, war meine erste Reaktion, dass das nicht nur so bei VW sein wird. Das hat sich ja inzwischen wohl gezeigt.

      • @JoWall:

        Ja. Sag ich doch. Sie haben es nur deutlicher ausgesprochen: Raubtierkapitalismus ohne Moral. Eine gesunde, d.h. nachhaltige und 'erwachsene' Gesellschaft sieht meines Erachtens nach anders aus. Aber wen wundert 's? Wenn alle Geiz geil finden, anstelle zu kapieren, daß Geiz dämlich, weil kurzsichtig, d.h. infantil ist.

  • wiso bezahlen wir kurzarbeit wenn der konzern in der lage ist aufzustocken???

    • @dada:

      Sowieso erstaunlich, dass die Gesellschaft für Managementfehler einspringt obwohl Geld in der Firma vorhanden ist. Sollen sie halt andere Arbeit finden für die Mitarbeiter. Machen die meisten Firmen so.