: Ein bisschen Normalisierung
GEREGELT Vor knapp vier Jahren hat Hamburg als erstes Bundesland einen Vertrag mit den muslimischen Verbänden geschlossen. Die Beteiligten sehen das als wegweisend
von Gernot Knödler
Woran Niedersachsen jetzt gescheitert ist, das hat Hamburg schon vor knapp vier Jahren geschafft: einen Vertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften abzuschließen – als erstes Bundesland überhaupt. Jetzt arbeiten der Senat und die Verbände daran, die Vereinbarung mit Leben zu füllen. Das betrifft vor allem den ohnehin schon wegweisenden Religionsunterricht für alle. Trotz der aktuellen Kritik an der Islam-Organisation Ditib halte er daran fest, betont der rot-grüne Senat.
Ziel des Vertrages, den der Senat mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), dem Rat der Islamischen Gemeinschaften (Schura) und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) schloss, war es, die Muslime am sozialen und kulturellen Leben teilhaben zu lassen und sie zur Übernahme von Verantwortung zu ermutigen.
Das Land ermöglicht Bestattungen ohne Sarg, Mitsprache beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Zugang von Seelsorgern zu Krankenhäusern und Gefängnissen. An Feiertagen dürfen Kinder der Schule fern bleiben und Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub einreichen. Im Gegenzug bekennen sich die Gemeinschaften zu den „Wertegrundlagen der grundgesetzlichen Ordnung“.
Aus Sicht Murat Pirildars vom VIKZ hat sich der Vertrag bewährt. Auch wenn er außer der Feiertagsregelung und der Anerkennung als Religionsgemeinschaften im Grunde nichts Neues gebracht habe, schaffe er Rechtssicherheit und Anerkennung. Andere zivilgesellschaftliche Akteure wüssten jetzt, mit wem sie sprechen könnten.
Die Feiertagsregelung in den Schulen funktioniere gut. Es herrsche Klarheit und die Schulen könnten sich darauf einstellen, etwa bei er Planung von Klausuren.
Für Mustafa Yoldaş von der Schura zeigt der Vertrag, „dass es zur Normalität gehört, dass muslimische Gemeinschaften im öffentlichen Leben präsent sind“. Es sei früher nicht selbstverständlich gewesen, dass ihre Vertreter zu öffentlichen Anlässen wie dem Matthiae-Mahl oder einer Trauerfeier wie für Helmut Schmidt eingeladen wurden.
„Der Senat vertraut den Muslimen, dass sie ihrer Stadt gegenüber loyal sind“, sagt Yoldaş. Umgekehrt vertrauten die Muslime darauf, dass der Senat seine vertraglichen Verpflichtungen einhalte, insbesondere das Gebot der Neutralität beachte.
Praktisch relevant wird das bei der Weiterentwicklung des gemischtkonfessionellen Religionsunterrichts für alle. Der war früher in alleiniger Verantwortung der evangelischen Kirche und soll jetzt von allen anerkannten Religionsgemeinschaften gemeinsam gestaltet werden. Die Stadt hat zwei Professuren für die Ausbildung islamischer Religionslehrer eingerichtet.
Mit Blick auf die Ditib, die der türkischen Religionsbehörde untersteht und als verlängerter Arm des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan kritisiert wird, stellt der Senat fest: „Der Vertrag bietet den Rahmen dafür, auch in schwierigen Zeiten im Gespräch zu bleiben.“
In einer Antwort an die AfD nennt der Senat Beispiele dafür, dass die muslimischen Religionsgemeinschaften ihr Bekenntnis zur Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen durchaus ernst nähmen: Sie gehörten zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufs für Demokratie, Toleranz und Vielfalt und hätten gemeinsam mit den anderen Religionsgemeinschaften gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer demonstriert. Die muslimischen Gemeinschaften hätten Vertreter in den Integrationsbeirat entsandt. Sie setzten sich für den Dialog mit der Zivilgesellschaft ein. Außerdem versuchten sie durch Mitarbeit im „Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung“ dem religiösen Extremismus entgegenzuwirken.
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