: Russland raus
Paralympics Bei Olympia dürfen die Russen mitspielen. Von den Weltspielen der Menschen mit Behinderung sind sie ausgeschlossen. Auch im Parasport war es zu Manipulationen von Dopingproben gekommen
von Andreas Rüttenauer
80 Medaillen haben russische Sportlerinnen und Sportler 2014 bei den Winter-Paralympics von Sotschi gewonnen. Das zweitplatzierte deutsche Team kam gerade einmal auf 15 Medaillen. Eine derartige Überlegenheit hat es im Sport für Menschen mit Behinderung bis dahin nie gegeben. Der Präsident der Internationalen Paralympischen Komitees IPC, der Brite Philip Craven, war ganz begeistert von den Spielen. Es seien die besten Paralympics aller Zeiten gewesen, sagte er seinerzeit zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin und galt schnell als der zweitgrößte Russlandversteher nach IOC-Boss Thomas Bach. Dieses zweifelhaften Rufs hat er sich nun entledigt, als er am Freitag in Rio de Janeiro verkündet hat, dass bei den Paralympics, die am 7. September in der Olympiastadt beginnen, keine russischen Athleten an den Start gehen dürfen.
Regelrecht angeekelt zeigte sich Craven von den Enthüllungen der von der Welt-Anti-Doping-Agentur eingesetzten Kommission, die das systematische, staatlich begleitete Doping in Russland aufarbeitet. „Diese Medaillen-vor-Moral-Mentalität widert mich an“, sagte er.
Auch bei den Paralympics in Sotschi waren etliche positive Dopingproben durch negative ersetzt worden. Immer neue Fälle werden von der immer noch arbeitenden Kommission entdeckt. Craven geht davon aus, dass noch lange nicht alle Fälle bekannt sind, in denen es zu Manipulationen gekommen ist. Alle in Sotschi genommenen Proben sollen nun noch einmal analysiert werden. Gerade weil auch weitere finstere Nachrichten erwartet werden, hat sich das IPC für den ganz großen Schnitt entschieden. Das Russische Paralympische Komitee wurde komplett suspendiert. Es ist bis auf Weiteres nicht mehr Teil der paralympischen Sportbewegung. Damit haben die Paralympier getan, wovor sich das IOC gedrückt hat. Sie haben eine klare Entscheidung getroffen und vor allem eines klar gemacht: Sie haben jegliches Vertrauen in den russischen paralympischen Sport verloren. Während das IOC nicht müde wird, die Bemühungen des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, was die Aufarbeitung des irrwitzigen Dopingskandals betrifft, zu loben, genügten dem IPC die Ausführungen der Russen in keinster Weise. Am vergangenen Donnerstag hatten die Russen am IPC-Sitz in Bonn die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Es ist ihnen nicht gelungen, die Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Nun haben die Russen drei Wochen Zeit, gegen die Entscheidung vorzugehen. Sportminister Witali Mutko hat bereits die Vorbereitungen für eine Klage vor dem Internationalen Sportschiedsgericht CAS eingeleitet. Und während in Russland einmal mehr davon die Rede ist, dass der Sport für politische Spiele missbraucht wird, steht die Frage im Raum, inwieweit die Entscheidung des IPC auch eine Ohrfeige für das von Thomas Bach geführte IOC ist.
IPC-Präsident Philip Craven
Philip Craven, der oberste Paralympier, ist auch Mitglied im IOC. Als solches wollte er die Entscheidung, russische Athleten zu den Spielen von Rio zuzulassen, nicht kritisieren. Das sei eine andere Situation. Craven meinte auch, dass das IOC keinen Druck ausgeübt hat. „Ich habe Thomas Bach am Freitag über unsere Entscheidung unterrichtet, und es hat zu keiner Zeit jemand aus dem IOC versucht, Einfluss auf unsere Entscheidung zu nehmen. Das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“, sagte er am Sonntag.
Über die sportpolitische Bedeutung des Russland-Banns für die Paralympics ist sich Craven jedenfalls im Klaren: „Ich glaube, dass dies eine Entscheidung im Sinne der olympischen Bewegung und der Olympischen Spiele ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen