Verbot von invasiven Tierarten: Die Angst vor dem Marmorkrebs
Die EU möchte mit einer Liste den Handel und die Haltung von 37 Tierarten verbieten, die heimische Arten verdrängen. Das sorgt für Kritik.

Darum steht es auf einer „schwarzen Liste“ der EU-Kommission, die am gestrigen Mittwoch in Kraft getreten ist. Demnach ist es künftig verboten, die 37 Tier- und Pflanzenarten darauf einzuführen, zu handeln oder zu halten. Mit der Liste hat die EU-Kommission erstmals für alle Mitgliedsstaaten eine rechtsverbindliche Handlungsgrundlage geschaffen – auch wenn es in einigen Ländern, so auch in Deutschland, schon nationale Regelungen gab.
Auf der Liste stehen neben dem Grauhörnchen auch die gelbe Scheincalla und der Marmorkrebs, die sich beide schon in Deutschland heimisch fühlen. Die Liste wird künftig laufend ergänzt. Etwa 12.000 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten gibt es in Europa, etwa zehn Prozent davon sind invasiv, das heißt, sie verdrängen heimische Lebewesen. In Deutschland treten 24 der 37 gelisteten Arten in der Natur auf.
Die Reaktionen auf die Brüsseler Liste könnten unterschiedlicher nicht sein – den einen ist sie zu kurz, den anderen zu lang. Das Bundesumweltministerium verweist auf die eigenen Bestimmungen, mit denen schon bisher invasive Tierarten eingedämmt werden konnten. „Jetzt müssen noch zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden“, so ein Ministeriumssprecher. „Die aktuelle Unionsliste enthält auch verbreitete Arten wie Waschbär oder Nutria“. Das berge die Gefahr, dass ohnehin knappe Mittel und Ressourcen gebunden werden, ohne dass sich für den Naturschutz spürbare Erfolge erzielen ließen. Ein so weit verbreitetes Tier wie der Waschbär ließe sich nicht mehr ausrotten. „Um einen möglichst effizienten Einsatz der verfügbaren Ressourcen zu gewährleisten, muss der Schwerpunkt jedoch auf der Bekämpfung neu auftretender invasiver Tier- und Pflanzenarten liegen“, fordert der Sprecher.
Ganz anders sieht das Till Hopf, Naturschutzexperte des Naturschutzbund Deutschland (NABU). Er begrüßt die Liste prinzipiell, doch hält er sie für nicht umfassend genug. „Beispielsweise ist die Riesenbärenklaue nicht angeführt“, so Hopf, „trotzdem sie die menschliche Gesundheit gefährdet“. Je mehr invasive Tiere und Pflanzen auf der Liste stünden, desto mehr Mittel gebe es, sie zu bekämpfen. „Das ist auch eine Frage der Finanzierung“, erklärt Hopf.
Mehr Geld fordert in diesem Zusammenhang James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund. Der Artenschutzreferent verweist darauf, schon jetzt seien die Auffang-Stellen etwa für Waschbären überfüllt. Alle Maßnahmen gegen die invasiven Arten müssten zudem mit dem Tierschutz vereinbar sein.
Heinz Klöser, Experte für invasive Arten im Bundesarbeitskreis Naturschutz der Umweltschutzorganisation BUND, fordert hingegen eine „größere Gelassenheit“ gegenüber den invasiven Arten. Auch heimische Tiere und Pflanzen würden sich stärker ausbreiten, als andere, etwa der lästige, aber durchaus leckere Giersch, der Pflanzen in seiner Nähe überwuchtert. Außerdem würde die Erderwärmung die Lebensräume sowieso grundlegend verändern. „Mit dem Klimawandel werden wir andere Arten aufnehmen müssen“, so Klöser.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich