: „Praxis verfassungswidrig“
Flüchtlinge Nach umstrittener Abschiebehaft für einen Familienvater: Der niedersächsische Flüchtlingsrat kündigt Verfassungsbeschwerde gegen den Landkreis Leer an
Der niedersächsische Flüchtlingsrat will Verfassungsbeschwerde gegen den Landkreis Leer einlegen. Auf Veranlassung des Landkreises sei ein Familienvater aus dem Kosovo zehn Tage vor seinem freiwilligen Ausreisetermin in Abschiebehaft genommen worden, teilte der Flüchtlingsrat am Donnerstag in Hannover mit.
Die Familie mit sechs Kindern habe jedoch eine sogenannte Grenzübergangsbescheinigung besessen, die ihr eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 28. Juli gewährt habe. Trotzdem habe der Landkreis die Inhaftierung beim Landgericht Aurich per Eilentscheid erwirkt. „Diese Praxis des Landkreises Leer war nach unserer Überzeugung verfassungswidrig“, sagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat.
Der Mann sei am 18. Juli im Sozialamt festgenommen worden, als er seine Leistungen abholen wollte, hieß es. Auf eine Beschwerde des Flüchtlingsrats hin habe das niedersächsische Innenministerium dem Landkreis empfohlen, den Vater wieder freizulassen, um ihm gemeinsam mit seiner Familie die freiwillige Ausreise zu ermöglichen. Erst am 29. Juli sei der Mann entlassen worden. Mittlerweile sei die ganze Familie ins Kosovo ausgereist.
Ob der Mann rechtmäßig inhaftiert wurde, sei weiter rechtlich umstritten, sagte Weber. Da die Freiheit einen hohen Stellenwert im Grundgesetz genieße, habe die Familie auch noch nach der Ausreise das Recht zu erfahren, ob die Haft rechtens war.
In den vergangenen zehn Jahren habe das Bundesverfassungsgericht in mindestens 15 Fällen Verfassungsbeschwerden in Abschiebehaftverfahren zum Erfolg verholfen, sagte Weber. Er warf den Behörden vor, Flüchtlinge viel zu schnell und unter Verletzung elementarer Menschenrechte leichtfertig zu inhaftieren. Der Flüchtlingsrat habe daher mit der Landesregierung eine Projektstelle zur Beratung von Flüchtlingen in Abschiebehaft geschaffen. (epd)
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen