Grüner Bürgermeister zur Kommunalwahl: „Wir wurden ausgeschlossen“
Seine Partei darf im niedersächsischen Bad Bevensen nicht antreten, weil sie bei der Wahlliste schlampte. Nun zieht der Grüne Noch-Bürgermeister Martin Feller vor Gericht
taz: Herr Feller, haben Sie die grünen Wahlplakate schon eingemottet?
Martin Feller: Definitiv nicht! Auch wenn ein Fehler bei der Wahlliste für den Stadtrat von Bad Bevensen passiert ist, und der Wahlleiter uns hier von der Wahl ausgeschlossen hat, gibt es ja grüne Kandidaten für den Kreistag und den Samtgemeinderat. Da waren die Listen okay.
Aber für Ihre Bürgermeisterkandidatur ist der Wahlkampf gelaufen, oder?
Noch nicht. Wir haben beim Verwaltungsgericht Lüneburg einen Antrag auf Zulassung einer Wahlliste eingereicht. Wir rechnen Mitte nächster Woche mit einer Entscheidung. Wir hoffen, dass unsere Liste doch noch zugelassen wird, weil aus unserer Sicht der Fehler doch extrem klein ist.
Martin Feller, 53, ist seit 2011 ehrenamtlicher Bürgermeister der niedersächsischen Kleinstadt Bad Bevensen und Öko-Landwirt. Er macht seit 20 Jahren Kommunalpolitik für die Grünen.
Was ist denn passiert?
Wir haben auf der Wahlliste, die wir bei der Stadt eingereicht haben, die Plätze zwei, vier und sechs miteinander vertauscht. Aber die neun Personen, die auf der Wahlliste stehen, sind dieselben.
Und wie haben Sie den Fehler bemerkt?
Wir haben das erst bei der Wahlbekanntmachung in der Lokalzeitung gemerkt. Danach habe ich den Fehler sofort beim Wahlleiter angezeigt.
Und der hat Sie dann ausgeschlossen, weil Sie die Frist für Änderungen an den Wahllisten verpasst haben. Fanden Sie die Entscheidung zu hart?
Ja, es gab keine Betrugsabsicht, sondern es war ein Versehen. Und bei dieser Kommunalwahl gab es noch einen weiteren Fall, bei der es diese Namensdreher in den Listen gegeben hat. In Hannover waren auf einer SPD-Liste zwei Plätze vertauscht. Der dortige Wahlausschuss hat die Änderungen zugelassen. Darüber war unser Wahlleiter informiert, hat das aber nicht an den hiesigen Wahlausschuss weitergegeben.
Aber warum sind Sie komplett von der Wahl ausgeschlossen? Hätten Sie nicht auch die Liste mit der falschen Reihenfolge nehmen können?
Das Problem dabei ist, dass die Liste in dieser Reihenfolge auf unserem Listenparteitag in einer freien, geheimen Wahl bestimmt wurde.
Aber Ihre Kollegen bei den Grünen hätten es doch bestimmt besser gefunden, mit einer falschen Reihenfolge anzutreten als gar nicht.
Dass die Reihenfolge falsch war hat dazu geführt, dass die Wahlliste ungültig war. Wir hätten das verschweigen können, aber damit hätten wir ganz bewusst das Wahlgesetz gebrochen. Das wollten wir nicht.
Wie konnte es eigentlich passieren, dass die falsche Liste eingereicht wurde?
Das war ein Flüchtigkeitsfehler.
Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie realisiert haben, dass die Grünen vielleicht nicht zur Wahl antreten können?
Das war ein sehr mulmiges und unangenehmes Gefühl, als ich gehört habe, dass da Plätze vertauscht worden sind. Ich mache jetzt seit 20 Jahren Kommunalpolitik. In den ersten Jahren war ich der einzige Grüne in Bad Bevensen. Ich kann ganz gut damit leben, wenn ich im politischen Kampf unterliege, aber zu einer Wahl wegen eines Formfehlers nicht antreten zu können, ist bitter.
Was machen Sie, wenn das Verwaltungsgericht Sie endgültig von der Wahl ausschließt?
So viel ändert sich nicht. Ich mache weiter Kommunalpolitik. Dann eben auf Samtgemeindeebene und im Kreistag. Und in Bevensen gibt es auch einige Gremien, in denen ich mich weiter ehrenamtlich engagieren kann – im Inklusionsbeirat zum Beispiel. Aber es wäre trotzdem extrem frustrierend, wenn ich nicht mehr weitermachen könnte. Bei der vergangenen Kommunalwahl haben wir 17 Prozent der Stimmen geholt. Für diese Wahl habe ich noch mit einem deutlichen Zuwachs gerechnet.
Wie reagieren Ihre Wähler jetzt auf Sie?
An dem Tag, als der Fehler auffiel, stand mein Telefon nicht still. Ganz viele waren sehr frustriert und haben gesagt, sie könnten nun gar nicht wählen gehen.
Und was antworten Sie?
Dass sie wählen gehen müssen und zumindest unseren Koalitionspartner, die Wählergemeinschaft Bad Bevensen wählen sollen.
Sind die Leute sauer auf Sie?
Nein, hier in Bevensen ist eher der Tenor, warum in Hannover eine Lösung möglich ist und hier nicht. Die Leute fragen sich, warum wegen eines Formfehlers der Bürgermeister mit der kompletten Liste ausgeschlossen werden muss. Natürlich gibt es den einen oder anderen, der sagt, wer zu doof ist, eine vernünftige Liste einzureichen, hat auch nicht verdient zu kandidieren. Aber das sind einzelne Stimmen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!