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Kommentar IntegrationsgesetzKonjunkturprogramm für die AfD

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Flüchtlinge zu Billiglöhnen arbeiten zu lassen, wäre fatal. Regulär bezahlte Jobs würden ersetzt. Freuen dürften sich Rechtspopulisten.

Flüchtling an der Essensausgabe der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im März 2016 Foto: dpa

A m Donnerstag stellte die Stiftung Mercator eine neue Studie vor. In ihrem Auftrag hatten Sozialwissenschaftler die Deutschen befragt, ob ihnen noch wohl ist, mit all den Flüchtlingen im Land. Das Ergebnis: Ist es nicht. Jedenfalls vielen nicht. Die so genannte Willkommenskultur, sie erodiert, hatten die Forscher herausgefunden.

Dagegen ließe sich einiges tun. Der sicherste Weg aber, die verbleibende Offenherzigkeit der Normaldeutschen gegenüber Flüchtlingen in Richtung Nullpunkt zu drücken ist: Die Ankommenden zu Billigarbeitskräften machen.

Es ist das älteste, am meisten verbreitete Argument gegen Einwanderung: MigrantInnen nehmen denen, die schon hier sind, die Jobs weg, weil sie bereit sind, für weniger zu arbeiten. Und die, die danach noch Arbeit haben, verdienen weniger, weil die vielen billigen Arbeitskräfte die Löhne insgesamt drücken.

Es war deshalb ein Segen, dass der Mindestlohn verabschiedet wurde, bevor im letzten Jahr hunderttausende Asylsuchende nach Deutschland kamen. Die Verteilungskämpfe im Niedriglohnsektor sind auch so hart genug. Die Lohnuntergrenze war Schutz gegen einen ruinösen Unterbietungswettbewerb, der nicht nur die Löhne, sondern wohl auch die lange vergleichsweise freundliche Stimmung im Land herunterzuziehen vermag.

Mit ihrem so genannten Integrationsgesetz tut die Bundesregierung jetzt ihr Bestes, dies nachzuholen. Was sie als „ersten Schritt in den Arbeitsmarkt“ verkauft, ist tatsächlich ein erster Schritt für einen separaten Billigarbeitsmarkt für Flüchtlinge. Und damit ein Konjunkturprogramm für die AfD.

Die Wirtschaft macht die Sache nicht besser. Als im letzten Jahr alle „Wir schaffen das“ versicherten, wollte sie nicht abseits stehen. Es gab neue Selbstverpflichtungen und „Beschäftigungspakte“ im Tagesrhythmus. Nun stellt sich heraus: Außer ein paar Praktika ist dabei offensichtlich kaum etwas herausgekommen. Ganze 54 Flüchtlinge haben die 30 größten deutschen Konzerne bislang eingestellt. Stattdessen haben sie schon sehr früh nach Mindestlohnausnahmen verlangt, die sie zum Glück nicht bekommen haben.

Die jetzt beschlossenen staatlichen Billigjobs sind erstmal nur für Tätigkeiten in den Asyl-Heimen selbst gedacht. Doch die Erfahrung mit den Hartz-Reformen hat gezeigt, dass die massenhafte Verfügbarkeit solcher Ultrabillig-Arbeitskräfte immer auf Kosten regulär bezahlter Tätigkeiten geht. Die Unternehmen wissen dies für sich auszunutzen. Und jene, die von Flüchtlingen nur als „Invasoren“ sprechen, auch.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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8 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Wie sieht denn die Akternative aus? Wie macht man aus erwachsenen Flüchtlingen ohne Schulausbildung geschweige denn Berufsabschlüssen in kürzester Zeit Fachpersonal für gutbezahle Jobs? Bei vielen dürfte es mit dem Büffeln des lateinischen Alphabets beginnen.

    Es kann praktisch doch nur gehen, indem man mit einfachsten Arbeiten beginnt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Nebenher büffeln und pauken. Hocharbeiten ist angesagt. Qualifikation fällt nicht vom Himmel und kann auch nicht geschenkt werden. Es mag manchem hart erscheinen, aber es ist die Realität.

  • Ich frage mich ist es in der Schweiz möglich, Löhne zu zahlen, welche allesamt in Deutschland als "niedere Tätigkeiten" gelten? Ein Beispiel von vielen, Putzfrauen bekommen in der Schweiz ca. 25 Schweizer Franken brutto die Stunde. Das wäre unter Berücksichtigung der höheren Lebenshaltungskosten von ca. 30% auf Deutschland übertragen noch immer ca. 18,00 Euro brutto die Stunde. Mir kann niemand in Deutschland erzählen, dass die Schweizer Putzfrauen, ca. drei Mal so produktiv sein sollen wie ihre deutschen Kollegen. Hinzu kommt im Gegensatz zu Deutschland, dass alle von allem in die Kassen einzahlen, nicht so wie in Deutschland, wo alleine die Beitragsbemessungsgrenzen das verhindern.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Die jetzt beschlossenen staatlichen Billigjobs sind erstmal nur für Tätigkeiten in den Asyl-Heimen selbst gedacht."

    Und dort ersetzt man mit Flüchtlingen zum Billigtarif die jetzt noch regulär Beschäftigten....

     

    Der Kommentar übersieht eines, die Stellen für Geringqualifizierte sind rar. Jetzt haben die Flüchtlinge einen "Vorteil", sie "dürfen" billiger arbeiten. Das ist natürlich alles Bullshit so, das ist sicher ein Konjungturprogramm für die AfD. Alles was helfen könnte wären vernünftige Qualifizierungsmaßnahmen, aber da fehlen die Kapazitäten in der Erwachsenenbildung...

     

    Die Politik mußte sich entscheiden, entweder massenhaft auf Dauer arbeitslose Flüchtlinge oder ein noch gnadelnloserer Verteilungskampf im unteren Drittel der Gesellschaft. Sie hat sich für den Verteilungskampf entschieden.

     

    Und zu den DAX-Konzernen, die bekommen jetzt was sie wollten, einen zunehmend löchrigen Mindestlohn.

     

    Mich macht dieser Kommentar sauer. Auch die taz war mit dabei als es hieß "Wir schaffen das". Auch die taz hat legitime Einwände ignoriert. Und jetzt wird ein Kommentar veröffentlicht der gegen genau das poltert von was man noch vor ein paar Monaten nichts wissen wollte. Das ist so tatkräftige Beihilfe zum Konjungturprogramm für die AfD.

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Das ("Wir schaffen das") ist nun einmal der Tenor des mainstreams: der kommerziellen Presse welche oftmals die Ziele der von Großunternehmen dominierten IHKs vertritt, und der öffentlich-rechtlichen Anstalten welche Regierungs- bzw. Kanzlerinnenpolitik (falls man es so bezeichnen will) vertreten.

       

      Wenn Herr Herles u.a. dies zum Ausdruck bringen: es wird gesendet was Frau Merkel will - dann wird er blindlings angegriffen.

       

      In der herrschenden Submentalität wird, insbesondere auch von den Parteien, nicht dargelegt wie Industrie 4.0, weitere Handelsabkommen usw. - für welche z.B. Herr Kretschmann Sympathien zeigt und welche weitere Arbeitsplätze vernichten werden, zusammengehen sollen mit notwendigen zusätzlichen Arbeitsplätzen. Und mit einer zu Recht empfundenen Ungerechtigkeit daß im Rahmen der Schröder-Agenda qualifizierte Arbeitskraft entschädigungsfrei entwertet wurde.

       

      Wird dies moniert - und angemerkt daß der Sinn der Merkel-Worte ist: "IHR schafft das" (O-Ton: "ist mir egal ob ich dran schuld bin - jetzt sind sie mal da"), dann braucht man nicht lange darauf zu warten von merkwürdigen Interessenkonglomeraten in die rechte Ecke gestellt zu werden.

  • Wer etwas anderes erwartet hatte als daß die Versprechungen der Konzerne nur PR-orientierte Willkommenspropaganda waren war und ist mit Realitätsblindheit geschlagen - . Als ob diese Unternehmen vor lauter Menschenfreundlichkeit plötzlich aufhören würden knallhart zu kalkulieren.

     

    Die Vorteile werden genommen, die Kosten werden abgewälzt. Die breite Bevölkerung darf schauen wo sie bleibt.

  • Nichts anderes würde die AfD an der Macht ebenfalls tun. Sind die Kaffer schon mal im Land, muss man sie auf ihre Rolle im Sub-Sub-Proletariat vorbereiten und alles ist tutti.

    Man will doch niemandem etwas böses. Man will doch nur, dass jeder Mensch den einen seiner Identität entsrprechenden Platz in der Gesellschaft findet.

    Ähnlichkeiten zu gegenwärtigen und vergangenen Sklavenhaltergesellschaften sind nicht zufällig.

  • Da ich Jahrelang in sogennate Billiglohnjobs musste und noch viele kenne die da Arbeiten müssen ,kann ich ein bisschen mitreden.

     

    Die Flüchtlinge dienen nur Mittel zum zweck um die Löhne zu drücken, was viele nicht verstehen ist, sie können nichts dafür.Der wahre schuldige ist der Autragsgeber die Wirtschaft und deren Marionetten die Regierung.

  • Dieser Artikel aus der Basler Zeitung,ein Interview mit Bassam Tiri (72),einem Syrer,der mit 18 Jahren nach Deutschland kam,mit 28 Proffesor an der Uni Frankfurt am Main war,hat mich erschüttert und gibt mir wirklich zu denken. http://bazonline.ch/ausland/europa/Diese-Maenner-denken-Deutsche-Frauen-sind-Schlampen/story/22916308

     

    Ich hoffe es gelingt eine Art von Integration,aber das Hauptanliegen muss unbedingt sein,den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden,damit die Menschen zurückkehren können.Zu den Nordafrikanischen Staaten kann ich nur sagen,dass uns gar nichts anderes übrig bleibt,als diese als sichere Herkunftsländer einzustufen,denn die vorwiegend jungen Männer aus diesen Regionen sorgen durch ihre Einstellung und ihr Verhalten für derartige Diskreditierung unserer Asylpraxis,dass es eine regelrechte Flut auf die Mühlen der Rechten ist.