Generäle waren am Putsch beteiligt: Unklarheit beim Militär
Noch ist unklar, wer tatsächlich den Putsch beim Militär initiiert hat. Unstrittig ist, dass auch Spitzengeneräle beteiligt waren.
In der Nacht, als Kriegsflugzeuge das Parlament bombardieren und Brücken besetzen, meldet sich erregt der Kommandant des 3. Armeekorps, General Erdal Öztürk, beim türkischen Nachrichtensender NTV. Per Telefon verurteilt er den Putschversuch und befiehlt den Einheiten, in ihre Kasernen zurückzukehren. Einen Tag später wird er in einem Restaurant, wo er mit seiner Frau speiste, festgenommen – wegen Mittäterschaft beim Putschversuch.
Über den Hergang des Putschversuchs und die Urheber herrscht noch Unklarheit. Unstrittig ist, dass Spitzengeneräle beteiligt waren, dass es zu Kämpfen innerhalb der Armee und zwischen Armee und Polizei kam und dass zahlreiche Generäle – wie der Generalstabschef Hulusi Akar – als Geiseln genommen wurden. Dabei wurden ihm blaue Flecken am Hals zugefügt.
Im August stand die jährliche Sitzung des Hohen Militärrats an, der über die Beförderung und Degradierung der Offiziere entscheidet und die Spitzenpositionen im türkischen Militär vergibt. Es galt als ausgemacht, dass dann die Armeespitze von den Kräften, die dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen nahestehen, gesäubert wird. Vieles deutet darauf hin, dass Gülen-nahe Offiziere mit dem Putsch ihrer Entmachtung zuvorkommen wollten.
Die offizielle Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte Fotos des ehemaligen Luftwaffenkommandanten Akin Öztürk und Mitglied des Hohen Militärrats, der von den regierungsnahen Medien als Kopf der Verschwörer gilt. Die Siegesstimmung in den Erdoğan-Medien ist so stark, dass sie es als unbedenklich empfanden, Fotos abzubilden, wo deutliche Folterspuren zu erkennen sind.
Noch vor wenigen Monaten wurde Adem Huduti von ebenjenen Medien als Held gefeiert. Er ist verantwortlich für das Massaker der Armee an der kurdischen Zivilbevölkerung in Cizre und Diyarbakır, bei dem Hunderte Zivilisten ums Leben kamen. Der Generalstab sprach damals von „Terroristen“.
Diejenigen, die heute als Köpfe der Verschwörer ausgemacht werden, sind jene, die bis 2012 unter Recep Tayyip Erdoğan auf Spitzenpositionen befördert wurden – um die kemalistisch-nationalistischen Kräfte zu verdrängen.
2012 wurde der damalige Generalstabschef Ilker Basbug verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst im April hob der Kassationshof das Urteil auf. Nach dem Putschversuch sagte Basburg: „Ich habe es schon damals gesagt. Gestern waren wir dran, heute seid ihr dran“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“