Kommentar Völkermord in Namibia: Schluss mit dem Eiertanz
Jetzt gelten andere Regeln: Mit der Armenien-Resolution war die Regierung unter Druck geraten, den Genozid in Namibia anzuerkennen.
W as war das für ein Eiertanz. Da hielt die Bundesregierung die Verbrechen an den Herero und Nama bereits für einen Völkermord, verhandelte mit der namibischen Regierung schon über die Aufarbeitung dieses Völkermords, kündigte noch für dieses Jahr eine gemeinsame Erklärung über den Völkermord an – nur vor einem entscheidenden Schritt drückte sie sich: In der Öffentlichkeit wollte sie nicht von Völkermord sprechen, solange die Gespräche mit der namibischen Regierung laufen. Gut, dass sie nun umdenkt und den Genozid doch schon beim Namen nennt – wenn auch en passant.
Die Bundesregierung mag für ihr Zögern ja verständliche Gründe gehabt haben: dass sie den Weg der Aufarbeitung nicht einseitig gehen wollte, sondern gemeinsam mit Namibia; dass sie die Einstufung als Völkermord nicht in einem schnöden Rechtsakt begehen wollte, sondern in einem feierlichen Rahmen; wohl auch, dass sie die Rechtsfolgen eines voreiligen Schuldeingeständnisses fürchtete und zunächst in den bilateralen Gesprächen ein freiwilliges Wiedergutmachungspaket schnüren wollte.
Unter normalen Umständen hätten es diese Gründe sogar gerechtfertigt, noch einmal in die Warteschleife zu gehen. Nachdem der Völkermord nun ein Jahrhundert zurückliegt, kommt es auf sechs Monate mehr oder weniger eigentlich auch nicht mehr an.
Nur: Seit der Armenien-Resolution des Bundestags sind die Umstände nicht mehr normal. Denn damit hat sich der Bundestag schließlich selbst in die Position des moralischen Richters begeben, der Schuld und Sühne anderer bewertet.
Nicht dass diese Resolution gänzlich falsch war. Sie hat die Bundesrepublik aber in eine denkbar blöde Lage versetzt: Am Ende konnte sogar ein Despot wie der türkische Präsident Erdoğan den Deutschen vorwerfen, mit zweierlei Maß zu messen. Damit lag er nicht mal komplett falsch. Und damit ist es nun zum Glück vorbei.
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