AKW-Abschaltungen nach Fukushima: Kein Schadenersatz für Eon
Nach Fukushima musste Eon zwei AKW zeitweise vom Netz nehmen. Das kostete hunderte Millionen Euro, die der Konzern nun zurückhaben will. Ein Gericht wies das ab.
Da diese Anfechtung ausblieb, sah sich das Landgericht nicht veranlasst, über Schadenersatzfragen inhaltlich zu entscheiden. Denn eine Schadenersatzpflicht entfalle, „wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden“.
Im Kern folgte die 19. Zivilkammer unter Vorsitz von Martin Schulz damit dieser Linie: Eon habe damals nicht das Naheliegende versucht, nämlich vor das Verwaltungsgericht zu ziehen, und dürfe sich daher über die Folgen im Nachhinein auch nicht beschweren. Ein Sprecher des Eon-Konzerns sagte: „Wir prüfen die Entscheidung des Gerichts.“ Eon sehe seinen verlangten Schadenersatzanspruch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtssprechung am Bundesgerichtshof BGH, daher sei „eine Berufungseinlegung wahrscheinlich“, teilte er mit.
Im März 2011 hatte die Politik unter dem Eindruck des Reaktorunglücks an der japanischen Ostküste sieben deutsche Meiler herunterfahren lassen. Nach dem dreimonatigen Moratorium folgte die Änderung des Atomgesetzes mit dem endgültigen Aus für zunächst acht Kraftwerke und dem Ausstiegsszenario für die übrigen Anlagen bis Ende 2022.
Geklagt in Hannover hatte die inzwischen in PreussenElektra umbenannte Tochter Eon Kernkraft GmbH. Sie wandte sich gegen die von Bayern und Niedersachsen 2011 verhängte vorübergehende Betriebseinstellung der Atomkraftwerke Isar 1 und Unterweser. In der Klage ging es um Ansprüche gegen Bayern, Niedersachsen und die Bundesrepublik.
Zumutbarer Gang zum Gericht
Das Urteil des Gerichts steht vor dem Hintergrund einer politischen Gemengelage über das Für und Wider und die Sicherheit der Atomkraft. Die Kammer argumentiert, dass Eon die aufschiebende Wirkung mit dem Gang zum Verwaltungsgericht durchaus zumutbar gewesen sei: „Für die betroffenen Kernkraftwerke lagen Betriebsgenehmigungen vor.“ Erst kurz vor der Fukushima-Katastrophe sei eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke beschlossen worden. „Die Klägerin trägt zudem selbst vor, die Situation der deutschen Kernkraftwerke sei mit der in Japan nicht vergleichbar.“
Die Kammer ließ daher auch das Argument nicht gelten, dass der öffentliche Druck damals zu groß gewesen sei, um ein Weiterlaufen der Meiler durchzuziehen. Atomkraft sei in Deutschland schon immer umstritten, was Eon auch gewusst habe.
Eon dagegen sieht sich bei Isar 1 und Unterweser enteignet und verlangt daher eine Entschädigung. „Ich erwarte Gerechtigkeit“, hatte Konzernchef Johannes Teyssen im Frühjahr zu den Atomklagen bei der Vorlage seiner Jahreszahlen gesagt. Diese waren – nicht zuletzt wegen der Folgen der Energiewende – tiefrot. Die deutschen Energiekonzerne kämpfen seit dem Start des Atomausstiegs um neue Geschäftsmodelle.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument