Vermögen und Erbe: Unfassbarer Reichtum
Die Grünen streiten sich mal wieder über Steuerpolitik. Aber stoppen ihre Pläne das Auseinanderdriften von Arm und Reich? Eine Analyse.
Allein dass die Grünen diese beiden Steuern alternativ verhandeln, ist ein Kompromiss. Denn die Wünsche liegen weit auseinander. Manche Grüne wollen den Staatshaushalt stärken, andere die Wirtschaft. Manche wollen eine Umverteilung von Reich zu Arm, andere nicht. Auch die Frage, was sich in einer Regierung ab 2017, etwa mit der Union, überhaupt durchsetzen ließe, ist umstritten.
Während viele Realos unbedingt einen Steuerwahlkampf wie 2013 verhindern wollen, möchten linke Grüne zumindest etwas von den Umverteilungsplänen retten. Grünen-Chefin Simone Peter, der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und andere Vertreter des linken Flügels wünschen sich die Vermögensteuer. Sie verweisen auf eine Modellrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das DIW taxiert die Einnahmen für den Staat auf 10 bis 20 Milliarden Euro im Jahr, je nach Ausgestaltung.
Zum Vergleich: Der Bund rechnet 2016 mit Steuereinnahmen von 288 Milliarden Euro, knapp die Hälfte davon spielen Umsatzsteuer und Lohnsteuer ein. Das Bruttoinlandsprodukt – also der Wert aller in Deutschland hergestellten Waren und Dienstleistungen – lag 2015 bei drei Billionen Euro.
Grünen-Wähler verdienen gut
Eine Vermögensteuer mit Einnahmen von 10 Milliarden Euro wäre angesichts dessen keine brutale Zwangsmaßnahme des Staates, wie es konservative Medien oder Wirtschaftsverbände suggerieren. Es ginge eher um einen kleinen, aber relevanten Beitrag zu den Staatseinnahmen. Für das Elterngeld gibt der Bund 2016 zum Beispiel 6 Milliarden Euro aus, eine solche Summe würde die Steuer locker einspielen.
Ein Vorteil ist, dass die Vermögenssteuer nur sehr reiche Menschen treffen würde. Die Vermögensteuer sei „ein effektives Instrument (…), um Haushalte mit hohen und sehr hohen Vermögen stärker zu besteuern“, schrieb der DIW-Forscher Stefan Bach in einer Modellrechnung im Januar. Dies ist wichtig für die Grünen. Ihre WählerInnen sind überdurchschnittlich gut gebildet und verdienen entsprechend – sie sollen außen vor bleiben.
Allein der Name „Vermögensteuer“ klinge nach Reichtum, argumentieren Spitzengrüne, die die Steuer wollen. So sei für alle verständlich, dass die Mittelschicht außen vor bleibe. Auch linke Grüne sehen inzwischen ein, dass im Wahlkampf 2013 der fatale Eindruck entstand, die Grünen ließen mit einem Sammelsurium von Steuererhöhungen ihre eigenen WählerInnen bluten.
Doch wen beträfe diese Steuer überhaupt? Das Vermögen ist in Deutschland in den Händen weniger konzentriert. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 32 Prozent des gesamten Vermögens, die reichsten 0,1 Prozent besitzen 16 Prozent – die Masse der Deutschen besitzt dagegen nichts. Eine Vermögensteuer soll dem entgegenwirken, argumentieren ihre Fans.
Die Steuer gab es unter Helmut Kohl
Das DIW plant für die Vermögensteuer hohe Freibeträge von mindestens einer Million Euro, je nach Szenario würden überhaupt nur 150.000 bis 435.000 Steuerpflichtige in Deutschland belastet. Das sind vor allem Unternehmensbesitzer, die meist durch ein Erbe, also leistungsloses Einkommen, reich geworden sind. Die DIW-Forscher rechnen verschiedene Steuersätze durch, etwa einen von einem Prozent jenseits der Freibeträge.
Durch eine solche Steuer würde der Vermögenszuwachs von mehrfachen Millionären vermutlich nicht gestoppt, sondern nur etwas verlangsamt. Schließlich liegen die Renditen, die sich über Immobilien, Aktien oder Firmenbeteiligungen erzielen lassen, weitaus höher als die Belastung. Eine Vermögensteuer existierte in Deutschland bis Ende 1996. Danach lief sie aus, weil das Verfassungsgericht Kritik geäußert hatte und die damalige Regierung unter Helmut Kohl gar nicht erst versuchte, sie zu reformieren.
Wichtige Unternehmensverbände wie der DIHK hassen die Vermögensteuer. In Deutschland sind viele Großkonzerne im Besitz einzelner, sehr reicher Familien, die die Öffentlichkeit scheuen. Eine Vermögensteuer zwänge sie, ihre Besitztümer gegenüber Finanzbeamten offenzulegen. Offiziell argumentieren die Verbände anders. Im Wahlkampf 2013, als SPD, Grüne und Linke für eine Vermögensbesteuerung warben, sagte der DIHK voraus, dadurch gingen 450.000 Arbeitsplätze verloren.
Für solche Schreckensszenarien fehlte jeder Beweis, aber sie wurden von Medien dankbar aufgegriffen. Wichtige Lobbys können einen Wahlkampf relevant beeinflussen, 2013 machten der DIHK und andere Verbände in einer Kampagne Stimmung gegen die rot-grünen Steuerpläne. Dies ist ein Grund, warum viele Grüne die Vermögensteuer für nicht durchsetzbar halten. Die Union lehnt sie ebenfalls strikt ab, und Schwarz-Grün ist für die Ökopartei 2017 eine realistische Machtoption.
Flat-Tax für Erben
Deshalb plädieren grüne Wirtschaftspolitiker und viele Realos dafür, sich lieber auf die Erbschaftsteuer zu konzentrieren. Jene ist in der Praxis eingeführt und bekannt. Auch hier sind superreiche Erben die interessante Zielgruppe. Sie zahlen im Moment faktisch keine Steuer, weil der Staat sie befreit. Anders ist das bei Privaterben, die mehrere Immobilien übertragen bekommen – sie müssen Erbschaftsteuer zahlen.
Im Dezember 2014 kritisierte Karlsruhe diese Ungleichbehandlung – und mahnte eine Reform an. Ein Gesetz der Bundesregierung hängt im Moment im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und -tag. Mehrere rot-grüne Länder hatten gegen das Gesetz protestiert, weil es die Privilegien Superreicher nicht antastet. Besonders die CSU hatte zuvor auf weitgehende Ausnahmen gedrängt.
„Sehr hohe Vermögen werden durch ausgedehnte Vergünstigungen am Ende niedriger besteuert als die Mittelschicht“, kritisiert Lisa Paus, die Steuerexpertin der Grünen-Fraktion. Die Partei sympathisiert mit einem „Flat-Tax-Modell“: gleiche Steuern für Betriebs- und Privaterben.
Die Freibeträge blieben unverändert, sie liegen im Moment bei 500.000 Euro für Ehepartner und bei 400.000 Euro für Kinder. Wenn ein Vater ein normales Einfamilienhaus an seine Tochter vererbt, zahlt sie deshalb keinen Cent Erbschaftsteuer. Die Grünen wollen jenseits dieser Freibeträge einheitliche Steuersätze von 15 Prozent, viele Vergünstigungen würden ersatzlos gestrichen.
Dieses Modell würde das Erbschaftsteuerrecht radikal vereinfachen und dem Staat etwas mehr Einnahmen bringen. Das DIW kalkulierte bei Steuersätzen von 10 Prozent einen jährlichen Ertrag von knapp 6 Milliarden Euro. Das wäre ein bisschen mehr als der Status quo: Im Moment nimmt der Staat rund 5 Milliarden Euro pro Jahr ein.
Durch einen Flat-Tax-Steuersatz von 15 Prozent stiegen die Einnahmen wohl auf rund 9 Milliarden im Jahr. Je nach Steuersatz wäre die Verteilungswirkung der Erbschaftsteuer also nochmal deutlich geringer als die der Vermögensteuer. Die Flat-Tax-Steuer würde das Auseinanderdriften von Arm und Reich in Deutschland ebenfalls nicht verhindern, sondern nur ein wenig verlangsamen.
Alle Rechnungen über die Wirkung der Steuern sind allerdings vage Prognosen, weil keiner weiß, wie hoch die Vermögen Superreicher in Deutschland wirklich sind. Auch wäre so gut wie sicher, dass Superreiche auf ein neues Steuerrecht reagieren und ihre Vermögen umschichten würden, um möglichst wenig an den Staat zu zahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein