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Vielerorts fehlen HebammenAllein im Wochenbett

Eine Hamburger Untersuchung zeigt, dass sehr viele Frauen vor und nach der Geburt ihres Kindes nicht von Hebammen betreut werden.

Seltene Hilfe: Familienhebamme Stefanie Eilers (r.) zeigt der 22-jährigen Laura, wie man wickelt Foto: Holger Hollemann/dpa

HAMBURG taz | Zwei Drittel der Schwangeren in Hamburg werden im Wochenbett nicht von einer Hebamme betreut. Nach der Entbindung war die Hälfte von ihnen ohne Unterstützung durch eine Geburtshelferin. Wie aus dem bundesweit offenbar einmaligen „Gesundheitsbericht Hebammenversorgung 2015“ der Hamburger Gesundheitsbehörde hervorgeht, haben Frauen aus weniger gut situierten Stadtteilen mit vielen Geburten die Hilfe der Hebammen besonders wenig in Anspruch genommen.

Die Familienteams der Hamburger Bezirke, zu denen Familienhebammen, Kinderkrankenschwestern, Sozialpädagogen und Behördenvertreter gehören, haben auf den Bericht alarmiert reagiert. Die Arbeit der Hebammen habe einen „besonders hohen Stellenwert“ in der Präventionsarbeit. Es gehe darum, die Mütter gut durch die Schwangerschaft zu bringen und zu verhindern, dass Kinder vernachlässigt oder misshandelt würden. Die Teilnehmer eines Familienteam-Fachtages forderten Ende Juni deshalb die Bürgerschaft auf, sich bundesweit für bessere Rahmenbedingungen der Hebammenarbeit einzusetzen.

In den vergangenen Jahren gab es in Hamburg mehrere Fälle von Kindeswohlgefährdung. Die Hebammen werden von den Familienhelfern als Teil einer „Präventionskette“ gesehen, die verhindern soll, dass Schwangere und Kinder mit schlechten familiären Voraussetzungen zu Schaden kommen.

Letzlich sollen sie ein Defizit ausgleichen: „Wegen der allgemein niedrigen Geburtenrate können nur wenige Frauen vor der Geburt ihres ersten Kindes im familiären Umfeld oder Freundeskreis praktisch Erfahrungen bei der Rund-um-die-Uhr-Betreuung eines Säuglings machen“, heißt es in dem Bericht. Hebammen trügen wesentlich dazu bei, dass werdende und neue Mütter und Väter mit ihren Fragen nicht alleine gelassen würden, teilt die Gesundheitsbehörde mit.

Hilfe für Schwangere und Mütter

Hebammenhilfe in der Vor- oder Nachsorge der Geburt haben laut dem bundesweiten Datenreport des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen im Jahr 2015 nur 17 Prozent der Schwangeren und Mütter wahrgenommen. Von dem Angebot wussten 24 Prozent.

Gering gebildete Mütter kannten das Angebot zu 33 Prozent, sehr gut qualifizierte Mütter nur zu 19 Prozent.

Ob das bekannte Angebot angenommen wird, korreliert ebenfalls mit dem Bildungsgrad.

Vor der Geburt nahmen rund 90 Prozent der hoch gebildeten und nur rund 50 Prozent der gering gebildeten Mütter die Hilfen in Anspruch.

Nach der Geburt nahmen je nach stichprobenartig untersuchter Stadt 50 bis 70 Prozent der Mütter mit hoher Bildung das Angebot an und nur an die 30 Prozent der Mütter mit geringer Bildung.

Umso fataler ist der Befund, den die Befragung der freiberuflich tätigen Hebammen in Hamburg ergeben hat. Während sich in den zentralen, besser gestellten Stadtteilen die Hälfte der werdenden Mütter vor der Geburt von einer Hebamme betreuen lässt, sind es in peripheren Stadtteilen, mit einer zum Teil eher armen Bevölkerung und einer überdurchschnittlichen Geburtenrate nur zehn Prozent. Allerdings lassen sich viele Frauen vor der Geburt von Ärzten betreuen.

Bei der Betreuung durch Hebammen nach der Geburt ist die Verteilung ähnlich. Dabei ist allerdings das Niveau insgesamt besser. In den bestversorgten Stadtteilen wurde nur ein Viertel der Frauen im Wochenbett nicht betreut, in den schlechtesten waren es 75 bis 90 Prozent.

Dabei entspricht die Betreuungsdichte mit 56 Geburten pro freiberuflicher Hebamme dem Bundesdurchschnitt von 56. Im ländlich geprägten Niedersachsen sind es dagegen 62. Dort gibt es Landkreise, wo werdenden Müttern nur einzelne freiberufliche Hebammen zur Vor- und Nachsorge zur Verfügung stehen – oder wie in Osterode am Harz gar keine.

Dass die Betreuung in den Hamburger Stadtteilen so unterschiedlich ist, liegt aus Sicht von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) „nicht überwiegend daran, dass die Betreuung nicht gewünscht ist, sondern an falscher Kapazität und einer Verteilung, die nicht entsprechend der Nachfrage ist“.

Die Senatorin will deshalb „nach Wegen suchen, die freiberufliche Tätigkeit von Hebammen vor allem regional akzentuiert zu fördern. Außerdem möchte sie den Bericht fortschreiben.

Um die Leistungen der Hebammen systematisch und vollständig erfassen zu können, sollen sie gezwungen werden, diese selbst zu dokumentieren. An der Umfrage für den Gesundheitsbericht hatten sich insgesamt 75 der freiberuflichen Hebammen beteiligt.

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