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Mehr Experimente Wagen

Personal Die DFB-Elf hat Probleme gegen defensive Gegner. Warum machen es die gleichen Spieler beim FC Bayern München besser?

Noch kein EM-Tor erzielt: Thomas Müller und seine Schuhe Foto: Schueler Ebner/imago

AUS PARIS JOHANNES KOPP

Genervt sind die Spieler der deutschen Nationalelf. Allen voran Thomas Müller, der nicht verstehen will, warum der Leistungsstand des Teams vor der so wichtigen letzten Gruppenpartie gegen Nordirland (18 Uhr/ARD) derzeit ausschließlich am Torerfolg gemessen wird. Dabei kennen doch gerade die Spieler des FC Bayern das zur Genüge: Gegner, die sich mit allen Kräften am eigenen Strafraum verschanzen. Die ewige Suche nach der einen Lücke in diesem Dickicht. Und die maßlose Kritik, wenn es dann mal nicht geklappt hat mit dem eigenen Tor.

Diese extremen Erwartungen wurden beim FC Bayern in der Ära von Pep Guardiola oft aufs Spektakulärste erfüllt. In schöner Regelmäßigkeit feierte der Rekordmeister seine Kantersiege. Bei der DFB-Elf hakt es jedoch seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren.

Was ist da los? Warum harmonieren die seit Jahren miteinander spielenden Müller, Mesut Özil, Toni Kroos und Co. nicht mehr so erfolgreich wie früher? Warum nimmt der FC Bayern nach wie vor seine Gegner auseinander, die DFB-Elf aber nicht mehr? Glaubt man Thomas Müller, dann hat die Nationalmannschaft ein Personalproblem, das sich nicht lösen lässt.

Nach der torlosen Begegnung gegen Polen erklärte er: „Um so ein Abwehrbollwerk zu knacken, haben wir in Deutschland nicht so die Eins-gegen-eins-Spieler wie beim FC Bayern. So ein Spieler fehlt vielleicht, aber den können wir nicht herzaubern.“ Vermutlich denkt er dabei an Douglas Costa oder Kingsley Coman, beide pfeilschnell und dribbelstark, die bei den Bayern in die Fußstapfen von Franck Ribéry und Arjen Robben treten sollen. Doch auf solche Verstärkungen über den Transfermarkt konnte das DFB-Team auch in der Vergangenheit nicht zugreifen.

Bei Nationalmannschaften ist stets Improvisationskunst im Bereich der beschränkten eigenen Möglichkeiten gefragt. Schwer wiegt deshalb der Verlust von Philipp Lahm, der nach der WM 2014 seinen Rücktritt erklärte. Beim FC Bayern stärkt er nach wie vor hinter Thomas Müller die rechte Seite und schaltet sich wirkungsvoll ins Angriffsspiel ein. Löw dagegen muss Lahm durch Benedict Höwedes ersetzen – eher eine Mangelverwaltungsmaßnahme als Improvisationskunst. Vorwerfen kann man das dem Bundestrainer nicht.

Überraschungen in der Startelf sind bei Löw nicht zu erwarten

Anders dagegen verhält es sich im Spiel nach vorn. Löw scheint darauf zu vertrauen, dass die einst funktionierenden Mechanismen wieder greifen. Die Gegner haben aber das Spiel der Deutschen studiert und Antworten gefunden. Das erfordert eine Weiterentwicklung der eigenen Möglichkeiten. So wie im Jahr 2014 Guar­dio­la auf die schmerzliche Halbfinalniederlage in der Champions League gegen Real Madrid (0:4) reagierte und das gleichförmige Angriffsspiel des FC Bayern variantenreicher gestaltete. Weite Flanken etwa galten nicht mehr als Tabubruch.

Löw, der auch mit einer klugen Übersetzung von Guardiolas Ideen auf die Verhältnisse der Nationalmannschaft seine Elf zum Weltmeistertitel führte, versteht sich selbst als Freund des variantenreichen Spiels. Er war stets aufgeschlossen gegenüber vielversprechenden Erneuerungen. Mit dem Erfolg scheint aber auch bei ihm die konservative Ader stärker hervorzutreten als je davor. Die Spieler seiner Wahl sind allen bekannt. Überraschungen in der Startelf, wie man sie bei den Franzosen erlebt, gibt es bei ihm nicht.

Mehr Mut zum Experimentieren würde man Löw schon wünschen. Das könnte auf das ganze Ensemble vitalisierend wirken. Gegen die sich einigelnden Nordiren wäre Jo­shua Kimmich möglicherweise die bessere Wahl auf der rechten Außenverteidigerposition. Pep Guardiola hat übrigens in der gerade abgelaufenen Saison auch Sicherheitsüberlegungen hinten angestellt und dem 21-jährigen gelernten Mittelfeldspieler eine wichtige Rolle in der Abwehr zugewiesen.

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