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Sägen bis zum Umfallen

Der Gas- und Ölpreis sorgt für Boom beim Brennholzverkauf. Der erwärmt die Herzen norddeutscher Waldbesitzer, ist aber nicht völlig ungefährlich – und kommt mindestens für diesen Winter zu spät

Noch fehlen die Statistiken der Notfall-Ambulanzen und die Erfolgsmeldungen über versehentlich abgetrennte und in handchirurgischer Geduldsarbeit wieder am Rumpf befestigte Gliedmaßen. Aber das kommt auch noch. Schuld daran haben die gestiegenen Preise für Heizöl und Gas.

Diese nämlich haben einen regelrechten Brennholz-Boom ausgelöst. Die Folge: Die Holzpreise steigen. Und: „das Selbstsägen hat gewaltig zugenommen“, sagte der Vorsitzende des schleswig-holsteinischen Waldbesitzerverbandes, Hans-Caspar Graf zu Rantzau am Wochenende. Denn dadurch lässt sich mächtig Geld sparen: Während der Raummeter Buche bis zu 40 Euro kostet, werden laut Rantzau je Kubikmeter selbstgesägtem Holz bloß zwischen 12 und 16 Euro fällig, „je nach Holzart und Lage“.

Lange galt der nachwachsende Rohstoff einfach als zu teuer: Während bis in die 1950er-Jahre rund 60 Prozent des forstwirtschaftlichen Ertrags aus dem Brennholzverkauf stammten, war mit niedrigen Ölpreisen der Anteil gegen Null gesunken. Bis vor kurzem. Erstmals seit Jahrzehnten kommt Feuerholz als Energiequelle einer von der Deutschen Bank-Gruppe durchgeführten Untersuchung zufolge seit September 2005 preisgünstiger als Öl.

Die Nachfrage sei „jetzt so hoch, dass wir praktisch kein Laubholz mehr billig als Industrieholz verkaufen müssen“, so Rantzau. Und das, obwohl die Saison für diesen Winter schon lange gelaufen ist: Brennholz muss immer gut zwei Jahre an der Luft trocknen, weil ein zu hoher Wasseranteil die Verbrennungstemperatur deutlich senkt. Dann aber rußt das Feuer – was die Umweltbilanz schmälert.

Die ist, beim Heizen mit Holz normalerweise gut: Voraussetzung ist allerdings, dass das Nachhaltigkeitsprinzip beachtet wird. Es besagt, dass nur so viel Holz geerntet werden darf, wie nachwachsen kann. Nach eigenen Angaben fühlt sich die Forstwirtschaft diesem Grundsatz bereits seit 200 Jahren verpflichtet. Nicht verhindern ließ sich dadurch allerdings die Monokultur schnell wachsender Nadelhölzer.

Wohl also dem, der selbst Waldungen besitzt. So wurde in Lübeck bei der Eröffnung der „Handel und Hanse“-Messe gestern nicht ohne Stolz darauf verwiesen, dass „die wirtschaftliche Bedeutung“ des kommunalen Forsts wachse – vor allem wegen der steigenden Brennholz-Nachfrage. Trotz desolater Finanzlage hat man in Lübeck auf den Verkauf der eigenen Reviere verzichtet, was eher die Ausnahme als die Regel ist: Flensburg beispielsweise traterst vor einem Jahr das stadteigene „Kollunder Gehölz“ ungeachtet heftiger Bürgerproteste ans Nachbarland Dänemark ab, um den Stadthaushalt aufzubessern. Aus demselben Grund, aber in größerem Stil plant das Land Niedersachsen, 15.000 Hektar Tafelholz zu verscherbeln. Schon jetzt ist dort über die Hälfte der Waldfläche privatisiert, deutlich mehr, als im Bundesdurchschnitt.

Den Trend zum Selberschlagen beobachten die Waldbesitzer mit Wohlgefallen. „Mir ist das sehr lieb“, so Rantzau. Sorge macht ihm allerdings, dass etliche Kunden den Preisvorteil des Selberschlagens zwar mit professionellem Sägwerk, sonst aber eher dürftig ausgestattet nutzen. Zwar komme „mit der Bügelsäge niemand mehr“, so Rantzau, der selbst Herr über ausgedehnte Waldungen im Kreis Segeberg ist. Aber viele Selbstsäger würden trotzdem auf Sicherheitsschuhe, handschuhe und hosen verzichten. Und auch Helme trügen etliche nicht, obwohl sich das bei Freischneidern mit vier PS und einer Schnittlänge von einem runden halben Meter geradezu aufdrängt: „Motorsägen“, weiß Rantzau, „können sehr üble Verletzungen verursachen.“ Deshalb werde sein Waldbesitzerverband künftig „Informationsblätter verteilen“. bes / dpa

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