Pleite eines Vorzeigeprojekts: Die überforderte Selbsthilfe
Vor Gericht wird der Untergang der Drogen-Therapieeinrichtung Elrond aufgearbeitet. Die letzte Chefin kommt mit einer Geldstrafe davon.
Die Geschäftsführerin, eine gelernte Raumausstatterin mit Hauptschulabschluss, hat 1997 selbst mal Therapie bei Elrond gemacht. Und blieb. „Hilfe statt Strafe“ war das Konzept des Vereins. Wer hierher kam, musste nicht in den Knast, aber mithelfen. Fördergelder bekam Elrond keine – ihr Geld verdiente die Drogenhilfe mit einer eigenen Umzugs- und Entrümpelungsfirma. Und die lief lange Jahre gut, wird der Insolvenzverwalter später feststellen: Noch 2009 machte die GmbH rund 150.000 Euro Gewinn. Zwei Jahre später meldete sie, schon viel zu spät, Insolvenz an.
Seit 2007 war Cathrin E.-S. Geschäftsführerin dieser Firma, dazu Vorsitzende des dazugehörigen Vereins. Sie hatte den Job damals von ihrem Mann übernommen, dem Gründer von Elrond. „Nach seinem Tod stand ich ziemlich alleine da“, sagt sie heute. Irgendwann sei die Buchhaltung „dann ins Schwimmen geraten“. Amtsrichter Hans Ahlers nennt diese eine „Loseblattsammlung“. Und dass ihrer Firma die Lizenz – also die Geschäftsgrundlage – entzogen wurde, fiel Cathrin E.-S. auch erst mal nicht auf. „Ich habe mich nicht richtig gekümmert“, sagt sie vor Gericht.
Alle hätten sie gesagt: „Cathrin, mach mal!“ Aber die wusste gar nicht, was eigentlich. Und so wurden auch zu wenig Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, 4.700 Euro kamen da laut Anklageschrift zusammen. Das Geschäftskonto war irgendwann leer, die Firma knietief im Dispo. Zwar half die örtliche Sparkasse kurz vor dem Ende noch mit 60.000 Euro aus, doch die waren schnell wieder aufgebraucht. Warum sie trotzdem keine Insolvenz angemeldet hat? „Ich habe gehofft, dass es irgendwie weiter geht“, sagt E.-S. Aus dem Publikum, wo ein paar ehemalige Klienten von Elrond sitzen, erntet sie dafür höhnisches Gelächter.
„Das ist stumpf gelogen“
Irgendwann sei dann auch noch ihr damaliger Lebensgefährte rückfällig geworden, sagt die Angeklagte. Und sie, fragt Richter Ahlers? „Ich nicht“, sagt sie. „Das ist stumpf gelogen“, hallt es aus dem Publikum. Zwar sah auch der Insolvenzverwalter „bedeutende Indizien“, dass die Geschäftsführerin mit Elrond-Geldern ihren privaten Drogenkonsum finanziert habe. Die Staatsanwaltschaft hat entsprechende Ermittlungen aber eingestellt.
„Die gute Frau hat sehr viel Geld eingesteckt“, sagt einer der ehemaligen Klienten, als Zeuge befragt. Bei Elrond sei „sehr viel mehr Geld reingekommen“, als für die Therapie ausgegeben wurde. Cathrin E.-S. habe dieses Geld „verballert“ – und im übrigen ein „krasses erpresserisches System“ geführt, in dem Menschen unter „unwürdigen Bedingungen“ hätten leben müssen. Das Gericht geht darauf nicht weiter ein.
Ein sinkendes Schiff übernommen
Die Angeklagte habe schon 2007 ein sinkendes Schiff übernommen, sagt ihr Verteidiger. Elrond sei „bilanziell überschuldet“ gewesen, sagt auch der Richter. Gleich drei Immobilien gehörten der Therapieeinrichtung, darunter ein ehemaliges Gutshaus in Ritterhude, das 2000 für 358.000 Euro gekauft und für eine ähnlich hohe Summe renoviert wurde. Gleichwohl sei Elrond lange Zeit „ein Vorzeigeprojekt“ gewesen, so der Verteidiger, mit Bürgermeister Jens Böhrnsen „als Schutzherr“. Aber man müsse, räumt ihr Anwalt ein, Cathrin E.-S. vorwerfen, dass sie „nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen habe“. Und der Sparkasse, dass sie Elrond nicht wenigstens ordentlich beraten habe.
Selbst der Staatsanwalt plädiert am Ende nur auf eine elfmonatige Bewährungsstrafe, obwohl Cathrin E.-S. ein langes Vorstrafenregister hat – wegen Drogendelikten, aber auch wegen Betrugs, Untreue oder Unterschlagung, unter anderem. Der Amtsrichter rechnet schließlich 330 Tagessätze Strafe zusammen, zu je 20 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Übergriffe durch Hertha-BSC-Fans im Zug
Fan fatal
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Humanitäre Lage im Gazastreifen
Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein