Kompromiss der Großen Koalition: Steuerfrei erben bis 26 Millionen
Die CSU setzt bei der Erbschaftsteuer Vergünstigungen für Familienunternehmen und kleine Handwerksbetriebe durch. Anderswo muss sie Federn lassen.
Die Einigung verkündete die Regierung am Montag nach anderthalbjähriger Debatte. Im Dezember 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz in entscheidenden Punkten bemängelt. Die RichterInnen hielten eine Steuerverschonung für kleine Firmen und große, kapitalkräftige Unternehmen für zu großzügig. Sie setzten Regierung und Parlament eine Frist zur Überarbeitung bis Ende dieses Monats.
Schäuble legte daraufhin im Juni 2015 einen Reformvorschlag vor. Erstens sollte die Steuerfreigrenze für kleine Betriebe von 20 auf drei Beschäftigte sinken. Zweitens sollten Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von mehr als 20 Millionen Euro nur noch teilweise von der Steuer verschont werden – auch wenn sie Arbeitsplätze erhalten. Bei mehr als 110 Millionen Euro sollte eine weitere Verschärfung eintreten.
Druck von der Erbenlobby
Dagegen machten Unternehmerverbände und CSU mobil. Es gelang ihnen, den Entwurf an mehreren Stellen zu verändern. So stieg die Untergrenze beim zu versteuernden Betriebsvermögen auf 26 Millionen Euro. Familienbetriebe erhielten einen zusätzlichen Freibetrag von 30 Prozent des Betriebsvermögens. Argument: Die Nachkommen könnten das ererbte Vermögen nicht verkaufen, weil es im Unternehmen stecke. Und wer Erbschaftsteuer zahlen muss, dazu aber nicht in der Lage ist, sollte sie für zehn Jahre gestundet bekommen – zinslos.
Doch diese Zugeständnisse reichten der CSU am Schluss nicht mehr aus. Neben der Anhebung der Beschäftigtengrenze von drei auf fünf Arbeitnehmer drückte sie noch durch, dass auch Mittel für Investitionen zwei Jahre lang nicht unter die Steuer fallen sollen.
Aber auch die CSU musste Federn lassen. Die obere Grenze von 110 Millionen Euro, die Schäuble für eine schärfere Besteuerung zog, wird künftig bei circa 90 Millionen liegen. Manche Erben werden also etwas mehr Steuer entrichten müssen, als Schäuble beabsichtigte. Das verlangte die SPD als Ausgleich für die CSU-Forderungen.
Einnahmen bleiben gleich
Weil die Union Steuererhöhungen ablehnt, will sie die Reform aufkommensneutral gestalten. Die Einnahmen sollen das bisherige Niveau, das bei sechs Milliarden Euro pro Jahr liegt, allenfalls leicht übersteigen. 2014 wurde laut Statistischem Bundesamt Vermögen im Wert von 108,8 Milliarden Euro vererbt oder geschenkt. Wegen Freibeträgen und Firmenprivilegien wurden davon nur 33,8 Milliarden Euro besteuert. Die Finanzämter nahmen schließlich 5,4 Milliarden ein.
Die Stiftung Familienunternehmen begrüßte die „Fortschritte“ im Vergleich zu Schäubles Entwurf – und klagte: „Für eine große Anzahl von Familienunternehmen wird sich die Erbschaftsteuerbelastung deutlich erhöhen.“ Weitere Vergünstigungen seien nötig.
Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) meint dagegen: „Betriebsvermögen werden in einer Weise privilegiert, die für den Erhalt der Unternehmen nicht erforderlich ist.“ Er rechnet mit neuen Verfassungsklagen. Bevor es so weit kommt, müssen Bundestag und Bundesrat die Reform beraten und beschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik