: „Poker und Politik“
Pokermeister Horst Koch über die Parallelen zwischen einem Kartenspiel und Politik
INTERVIEW BARBARA BOLLWAHN
taz: Seit dem knappen Wahlausgang pokern Politiker von SPD und Union um Macht und Posten. Pokern die gut?
Horst Koch: Zwischen einem Pokerspiel und der Politik gibt es ja keinen Unterschied. Nur der, der zum Schluss gut pokert, geht als Sieger hervor. Politiker müssen immer gut pokern können. Beim Poker gibt es das große und das kleine Spiel, und in der Politik passiert das Gleiche: Erst war das kleine Spiel, das heißt die Frage, wer an die Macht kommt, und dann fing das große Spiel an, wer in welche Position kommt.
Was ist der Unterschied zwischen dem kleinen und dem großen Spiel?
Es gibt Spieler, die nur das kleine Spiel suchen, weil sie nur klein gewinnen können und Angst haben, in ein großes Spiel zu gehen, bei dem sie alles verlieren können, was sie dabeihaben. In der Politik kann ich die kleine Macht immer aufrechterhalten. Aber wenn ich die große Macht will, muss ich von vornherein auf bestimmten Positionen bestimmte Personen haben, die mir gleich gesinnt sind.
Den Politikern geht es ja nur um die Macht. Wenn ich in einer Partei ganz nach vorne kommen will, schaffe ich das nicht allein. Ich muss mir Personen rauspicken und diese mobilisieren, vielleicht auch ein wenig krumm biegen, wie man bei uns im Schwabenland sagt, und wenn es dann so weit ist, kommt man mit diesen Stimmen immer weiter nach vorne.
Wie präsentieren sich Ihnen die Politiker als Spieler?
Es gibt mittelmäßige, gute und sehr gefährliche Spieler, die sich zurückhalten, so wie unser Freund Müntefering. Der hat sich sehr lange zurückgehalten und gewartet, bis seine Chance kommt, und jetzt schnappt er zu, ganz einfach.
Zu welcher Spielerkategorie gehört Frau Merkel?
Die Frau Merkel, muss ich sagen, hat gut gepokert und hat auch ein kleines Spiel gewonnen, aber ein großes Spiel wird sie verlieren. Sie wird nie die Macht haben, wie sie der Schröder hatte.
Weil sie die Spielregeln nicht gut genug kennt?
Nein, weil sie die Fäden nicht richtig gezogen hat. Ich sage mal ein Beispiel: Der Schröder ist für mich persönlich, wenn ich mit dem in ein Pokerspiel gehe, ein Kumpel. Das heißt: Man probiert nicht immer, vom anderen zuerst was wegzunehmen, sondern man setzt sich hin, man trinkt vielleicht ein Glas Rotwein, und dann diskutiert man einfach, und aus dieser Diskussion entwickelt sich ein geschäftliches Gespräch, und dann wissen wir genau, wer wohin gehört. Das fehlt der Frau Merkel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im großen Spiel, das heißt, wenn sie ins Ausland geht und den Bush trifft oder den Putin, mithalten kann.
Wie wichtig ist das Bluffen?
Kurzfristig ist das immer ein wichtiger Bestandteil. Der Schröder hatte schon einen guten Bluff gestartet, indem er die Wahlprozedur verloren hat und mit erhobenen Händen rausging. Nur bei der Elefantenrunde hat er sich ein wenig gehen lassen, das sollte man nicht tun, das ist eine Schwäche. Der kurzfristige Bluff kann immer funktionieren. Aber ein langfristiger Bluff funktioniert nicht.
Sie können Ihrem Chef ja auch nicht drei Monate lang die große Story vorgaukeln. Irgendwann müssen Sie Farbe bekennen. Wenn das nicht funktioniert, verlieren Sie Ihr Gesicht. Viele Politiker haben meiner Meinung nach Ihr Gesicht schon lange verloren und damit ihre Glaubwürdigkeit.
Was passiert Pokerspielern, die ihr Gesicht verloren haben und trotzdem weitermachen?
Sie verlieren alles. Wenn ich mit einem Bluff ins Spiel gehe und der Bluff erkannt wird, sodass der Gegenspieler das Geld bezahlt, um die Karte zu sehen, dann probiere ich natürlich, noch ein wenig von meinen Chips zu retten und mich elegant zurückzuziehen, ohne dass ich mein Gesicht verliere.
Der Punkt ist der: Man kann abgestempelt werden als ein Glücksspieler, der alles spielt, gegen den jeder gewinnen kann, oder man kann sich einen Ruf schaffen, dass man ein Spieler ist, der mit Vorsicht zu genießen ist. Wie in der Politik auch: Da gibt es Personen, die sind mit Vorsicht zu genießen.
Zum Beispiel?
Ich würde sagen, dass der Müntefering mit Vorsicht zu genießen ist. Ich glaube, dass er sich in eine gute Position bringt, in der er ab und zu auch einen Bluff startet, indem er einfach bestimmte Dinge in die Runde wirft, um zu sehen, was für Reaktionen kommen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er alles so weit vorbereitet für das große Spiel bei der nächsten Bundestagswahl, dass er unter Umständen sogar Kanzler wird.
Und Frau Merkel?
Wenn ich ganz ehrlich bin, fällt es mir schwer, etwas von Frau Merkel zu erwarten. Sie wurde in ihrer Kompetenz so beschnitten, dass sie eigentlich gar keine Macht hat. Sie muss so viele Leute fragen, bevor dies und jenes umgesetzt wird, das kann nicht funktionieren.
Wie wichtig ist das berühmte Pokerface?
Das Pokerface ist ganz wichtig! Der Schröder hat ein supergutes Pokerface. Wenn ich mit ihm Poker spielen würde, würde er es genau wie ich machen: Der würde mit einem Lächeln die Chips reinlegen.
Wenn man ihn fragt, ob er was hat oder nicht, würde er mit einem Lächeln rübergehen, dann muss ich zahlen, und dann zeigt er, was er hat. Der hat das richtig gut drauf. Das kann man lernen, der Herr Schröder hat es ja auch gelernt.
Wie sieht das klassische Pokerface aus?
Wenn man keine Miene verzieht. Ein ganz starres Gesicht, in dem man nichts erkennen kann.
Das klingt doch eher nach Angela Merkels Gesicht. Hat sie nicht das bessere Pokerface?
Ein Pokerface ist immer relativ. Die Frau Merkel ist nur einheitlich und geradlinig, die kann nicht mal die Hände hochtun und Freude zeigen und lachen. Der Schröder aber kann alles: lachen, ernst sein, richtig ernst sein, der kann auch mal ein saures Gesicht machen.
Auf der anderen Seite kann er aber auch ein Pokerface machen, bei dem man gar nichts erkennen kann, obwohl er dann auch lacht. Die Frage beim Pokerface ist doch: Was will ich erreichen? Frau Merkel mit ihrem Pokerface erreicht nichts.
Wie pokert man richtig?
Wenn ich ein guter Spieler bin, versuche ich, meine Basiskarte zu spielen, das ist die beste Karte von Anfang an. Wenn ich mit der verliere, hab ich Pech gehabt. Aber langfristig kann ich gar nicht verlieren. Außer ich gehe auf die andere Schiene und spiele schlechte Karten, so wie in der Politik. Wenn man schlecht spielt, kriegt man eins aufs Dach und ist weg.
Wenn fünf Politiker und ich ein Pokerspiel machen würden und Sie wären Beobachter, dann würden Sie eine ganz neue Komponente sehen, wie ein Politiker auch tatsächlich sein kann. Ein Politiker kann ja normalerweise nicht so sein, wie er ist, sonst kann er kein Politiker sein. Ein Politiker muss Dinge tun, die wir nie tun könnten. Er muss nicht über Leichen gehen, brutal ausgedrückt, aber er vertritt die Partei und sich selber und kann keinen falschen Satz sagen.
Mit welchen Politikern würden Sie gerne mal pokern?
Mit Frau Merkel, Herrn Schröder, Herrn Wulff, Herrn Platzeck und dem Joschka Fischer, das wäre eine sehr interessante, gigantische Runde. Müntefering wäre auch sehr interessant.
Was ist das Wichtigste beim Pokern?
Sie müssen das Pokerspiel und die Regeln aus dem Effeff kennen, und Sie müssen eine bestimmte Begabung haben, Menschen einzuschätzen. Das haben nicht alle.
Wie kamen Sie zu dem Spiel mit den fünf Karten?
Durch Zufall. Ich habe schon mit 12, 13 Jahren Poker gespielt. Das liegt mir im Blut, das habe ich von meinem Vater vererbt bekommen. Später habe ich mich entschieden, zehn Jahre von dem Spiel zu leben, um unter die anderthalb Prozent der Menschen zu kommen, die weltweit davon leben. Das hat richtig gut funktioniert! Ich habe die Welt bereist, das süße Leben genossen und weiß, worauf es ankommt.
Nach zehn Jahren hatten Sie das süße Leben satt?
Das wird ja irgendwann langweilig. Dann hab ich angefangen, Pokerturniere zu veranstalten.
Der gelernte Kaufmann und gebürtige Schwabe Horst Koch, 47, war 1995 deutscher Pokermeister und ist Geschäftsführer der Deutschen Poker Liga GmbH, die weltweit Pokerturniere organisiert
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