piwik no script img

Immer wieder „Corelli“

NSU Wieder findet der Verfassungsschutz Unterlagen zu seinem früheren Topspitzel. Der NSU-Ausschuss ist empört, auch Innenminister de Maizière verliert die Geduld

Wird von der NSU-Affäre wieder eingeholt: Hans-Georg Maaßen Foto: Michael Kappeler/dpa

Aus Berlin Konrad Litschko

Langsam wird’s ungemütlich für Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Und wieder ist es der früherer Topspitzel Thomas „Corelli“ Richter, der Ärger macht. Erst fand sich eine bis dahin unbeachtete CD mit dem Titel „NSU/NSDAP“ im Amt, dann tauchte ein Handy von „Corelli“ in einem Panzerschrank auf, obwohl dieser zuvor angeblich viermal durchsucht wurde. Nun sind es vier Sim-Karten des V-Manns, die das Amt plötzlich entdeckte.

Am Mittwochabend musste sich Maaßen zu dem jüngsten Fund im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags hinter verschlossenen Türen rechtfertigen. Zuvor hatte bereits Thomas de Maizière (CDU) die Geduld verloren. Der Bundesinnenminister forderte „maximale Aufklärung im Bundesamt“. Ein Mitarbeiter aus dem Innenministerium sei eigens nach Köln gefahren, um den Sachverhalt „restlos“ aufzuklären.

Auch im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags herrschte Empörung. SPD-Obmann Uli Grötsch sagte, sein Vertrauen in das Amt sei erschüttert. „Ich dachte bisher, der Verfassungsschutz hat sich nach dem NSU geändert. Diesen Eindruck habe ich nicht mehr.“ Grünen-Obfrau Irene Mihalic sprach von einer „Verhöhnung des Parlaments“. „Schränke werden x-mal gesichtet und immer finden sich neue Dinge.“ Sie forderte, Maaßen am heutigen Donnerstag kurzfristig auch vor den NSU-Ausschuss zu laden.

„Corelli“ war 18 Jahre lang eine Topquelle des Bundesverfassungsschutzes. 1998 fand er sich auf einer Kontaktliste des späteren NSU-Mitglieds Uwe Mundlos. Dazu überbrachte er schon 2005 – sechs Jahre vor dem NSU-Auffliegen – dem Amt die fragliche „NSU/NSDAP-CD“. 2014 verstarb er plötzlich an unentdecktem Diabetes.

Die jetzt gefunden Sim-Karten lagen nach taz-Informationen in dienstlichen Unterlagen seines früheren V-Mann-Führers. Zwei der Karten soll Richter bis zu seiner Enttarnung im Herbst 2012 genutzt haben. Die weiteren beiden verwendete er im Anschluss, um nach seinem Umzug ins Ausland mit dem Amt weiterhin zu kommunizieren. Der Inhalt der Sim-Karten ist noch unbekannt, sie werden derzeit vom BKA untersucht.

Zu „Corellis“ Handy liegt inzwischen eine Auswertung des Verfassungsschutzes vor. Laut dem knapp 30-seitigen Papier nutzte Richter das Handy privat von Mai bis September 2012, also wenige Monate nach der NSU-Enttarnung. Ein NSU-Bezug wird in dem Papier bestritten.

„Das kommt einer Verhöhnung des Parlaments gleich“

Irene Mihalic, Grüne

Auf dem Handy fanden sich allerdings mehr als 200 Kontakte, davon etliche Neonazi-Größen. Nach taz-Informationen waren dies etwa der niedersächsische NPD-Politiker Thorsten Heise oder der Rechtsrockorganisator Enrico Marx aus Sachsen-Anhalt. Zumindest Heise bewegte sich im NSU-Umfeld: Er hielt Briefkontakt zum heute in München als NSU-Helfer angeklagten Holger G. Von diesem soll er 1999 auch angesprochen worden sein, ob er helfen könne, das untergetauchte Trio „außer Landes zu bringen“.

Der Verfassungsschutz selbst wollte sich vor der Parlamentssitzung am Mittwochabend nicht äußern. In Nordrhein-Westfalen erteilte er der „Corelli“-Aufklärung dagegen bereits eine Absage: Dem dortigen NSU-Ausschuss verweigerte er eine Aussage des früheren V-Mann-Führers von „Corelli“.

Laut dem Ausschussvorsitzenden Sven Wolf (SPD) habe das Bundesamt einen NRW-Bezug „Corellis“ infrage gestellt. Genau das aber, sagte Wolf, habe man überprüfen wollen. „Wir sind sehr verärgert.“ Man poche weiter auf die Ladung des Verfassungsschützers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen