Flüchtlinge in Finnland: Humanitäres Bleiberecht am Ende
Die Ausländergesetze werden drastisch verschärft. Afghanistan, Somalia und Irak gelten ab sofort als sichere Herkunftsländer.
Trotzdem hält es Helsinki für angebracht, das Ausländerrecht weiter zu verschärfen. Am Dienstag trat eine erst am Tag zuvor beschlossene Gesetzesänderung in Kraft, mit der eine bisherige Bestimmung aus dem Ausländergesetz ersatzlos gestrichen wurde: Ein Aufenthaltsrecht aus „humanitären Gründen“ gibt es ab sofort nicht mehr.
Dieser rechtlich Status konnte Flüchtlingen gewährt werden, die die Voraussetzungen der Anerkennung als Asylberechtigte nicht erfüllten, bei denen man aber aus humanitären Gründen von einer Ausweisung Abstand nehmen wollte und ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilte. Beispielsweise, weil es in der Heimat des Geflüchteten bewaffnete Konflikte gab oder es um den Schutz der Menschenrechte schlecht bestellt war.
Konkret erhielten dieses „Asylrecht 2. Klasse“ 2015 vor allem Flüchtlinge aus Somalia und dem Irak. Jeweils rund ein Zehntel der Asylsuchenden aus diesen Ländern, denen ein Bleiberecht bewilligt worden war, erhielten dieses aus „humanitären Gründen“.
Bewaffnete Konflikte sind ungefährlich
Die Gesetzesänderung berührt nicht diese schon entschiedenen Altfälle, lediglich zukünftig wird dieser Rechtsstatus nicht mehr verliehen. Als Folge dürfte die Ablehnungsquote für Asylgesuche aus diesen beiden Ländern und aus Afghanistan deutlich steigen.
Wie die Ausländerbehörde gleichzeitig mitteilte, habe man die „Sicherheitseinschätzung“ für Irak, Somalia und Afghanistan aktualisiert und sei zum Ergebnis gekommen: „In diesen Ländern stellen bewaffnete Konflikte für sich genommen grundsätzlich keine Gefahr für Rückkehrer dar.“ Die Polizei wurde angewiesen, Abschiebungen höchste Priorität einzuräumen.
Die finnische Regierung hatte der Ausländerbehörde Anfang des Jahres aufgegeben, den Berg von 32.000 im vergangenen Jahr gestellten Asylgesuchen bis zum Ende des Sommers abzuarbeiten. Dabei war man von rund zwei Drittel negativer Entscheide ausgegangen. Tatsächlich beläuft sich diese Zahl auf drei Viertel. Nur 25 Prozent der 2015 eingereisten und beschiedenen Flüchtlinge haben eine Asylanerkennung erhalten.
Mit dem künftigen Wegfall der „humanitären Gründe“ soll offenbar nicht nur dieser alternative Aufenthaltsgrund blockiert werden. Es dürfte auch die Absicht dahinterstecken, Flüchtlinge aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote zu einer freiwilligen Rückkehr zu veranlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes