Heime ohne Transparenz: Kein Anruf in Kiel
Hamburgs Senat antwortet nur lückenhaft auf eine Linken-Anfrage zu den umstrittenen Jugendheimen in Schleswig-Holstein.
Die Hamburger Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus ist nicht zufrieden mit den bisherigen Antworten: Es werde vom Hamburger Senat, der die beiden Heime fleißig mit Landeskindern belegt, vieles „vertuscht und bagatellisiert“. Täglich, so Boeddinghaus, erreichten sie aber „Mails und Anrufe von besorgten Eltern und Fachleuten mit neuen Beschwerden“.
An die Linksfraktion wandte sich auch eine Mutter, deren Kind seit November 2015 in der HKJ in Dörpling untergebracht ist. Ihr habe damals das Jugendamt in Hamburg-Eimsbüttel mitgeteilt: „Das Konzept der Einrichtung sieht eine anfängliche 4-wöchige Kontaktsperre vor. Dies gilt für beide Elternteile sowie alle Verwandten.“
Solche Sperren waren in den Einrichtungen bis vor kurzem üblich, das hat Hamburgs Senat im Herbst 2015 eingeräumt. Demnach schränkten 78 der von Hamburg mit Kindern belegten Heime in Schleswig-Holstein und Niedersachsen in den ersten Wochen den Kontakt ein; 61 der Einrichtungen auch darüber hinaus. Seit dem Skandal um die „Friesenhof“-Heime ist derlei ein Indikator für rigide Pädagogik geworden: Die Abschottung vom alten Umfeld begünstigt Missstände und erschwert es Kindern, sich zu beschweren.
„Nein“: Es gebe keine Isolation der Kinder in der Eingangsphase, besagt die Antwort auf die Linken-Anfrage. Auch der Betreiber der HKJ Dörpling sagte der taz, dass es keine Kontaktsperren als Konzept gibt.Wie erklärt sich dann der Brief aus dem Jugendamt? Der Bezirk Hamburg-Eimsbüttel verweist an die Sozialbehörde. „Es gab keine konzeptionelle Kontaktsperre“, sagt deren Sprecher Marcel Schweitzer. Die erwähnte Maßnahme beziehe sich nur auf diesen Einzelfall, Genaueres könne man „aus Gründen des Sozialdatenschutzes“ nicht nennen.
„Dann hätte der Senat mir doch antworten können: Es gibt Kontaktsperren im Einzelfall“, sagt Boeddinghaus. Sie will das Thema am 26. Mai im Familienausschuss der Bürgerschaft ansprechen. Denn sie habe weitere Fragen: So erklärte die Kieler Sozialministerin am Montag dieser Woche, sie habe erst nach der gemeinsamen Pressekonferenz von Linken und Piraten – die war am 3. Mai – von der Hamburger Anfrage erfahren. Boeddinghaus hatte darin aber unter anderem gefragt, ob der Kieler Heimaufsicht Beschwerden über die beiden Einrichtungen vorlägen. Vor einem Jahr, in Sachen Friesenhof, hatten die Hamburger zur Klärung in Kiel nachgehakt. Diesmal aber teilte der Senat bloß mit, dazu lägen „keine Informationen vor“.
Auch Behördensprecher Schweitzer räumt ein, dass Hamburg nicht offiziell in Kiel nachgefragt hat. Bei 840 Kindern, die Hamburg im Nachbarbundesland unterbringt, müsse man kooperieren, findet Boeddinghaus: „Ein Anruf in Kiel wird doch wohl noch leistbar sein.“
Im Fall der Kieler Sozialministerin wird derweil schon über eine Nachfolgerin spekuliert. Im Sozialausschuss hatte Alheit am Montag versichert, sofern Missstände sich bestätigen sollten, würden sie abgestellt. Weitere Schritte, etwa eine Schließung der Heime, sei aber nicht möglich.
Aus Sicht des Piraten-Abgeordneten Wolfgang Dudda eine „Märchenstunde“: Die Gerichte würden wirtschaftliche oder persönliche Unzuverlässigkeit eines Betriebers schon lange als Schließungsgrund anerkennen. Dudda selbst hatte in einer Eidesstattlichen Versicherung schwere Vorwürfe eines ehemaligen Mitarbeiters aus Dörpling veröffentlicht. Demnach wurden Kinder fünf- bis siebenmal pro Woche zu Boden gedrückt. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe erklärte, sie führe Vorermittlungen durch – „da fließen die Äußerungen von Herrn Dudda mit ein“.
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