Lohn bei Lieferdiensten in Berlin: „Nicht wertvoll, sondern illegal“
DGB-Vorsitzende Doro Zinke mag es praktisch: Wenn bei Unternehmen wie Lieferdiensten der Mindestlohn nicht gezahlt wird, dann zieht sie Konsequenzen.
taz: Frau Zinke, schaffe ich wertvolle Arbeitsplätze, wenn ich bei Lieferdiensten wie Deliveroo und Foodora bestelle?
Doro Zinke: Wir wissen bisher ganz wenig über die Arbeitsbedingungen, dafür ist das Geschäftsmodell zu neu. Theoretisch wäre hier Verdi zuständig, aber die Leute sind noch nicht gewerkschaftlich organisiert. Vielleicht erfahren wir ja durch diesen Artikel mehr. Meine Bitte an die Leser: Fragen Sie doch bei der nächsten Essensbestellung einfach mal den Fahrer, was er als festen Stundenlohn verdient. Und dann melden Sie uns das.
Ich kann Ihnen schon einmal sagen, dass den Fahrern bei einem der großen Anbieter ein Stundenlohn von 7,50 Euro gezahlt wird.
Da kann ich schon mal sagen: Das ist nicht nur kein wertvoller Arbeitsplatz. Das ist illegal. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei 8,50 Euro.
Die Fahrer bekommen noch mindestens einen Euro zusätzlich pro Lieferung.
Es zählt aber nur der feste Stundenlohn. Solche Prämien sind auch eher kritisch. Erinnern Sie sich an die Lastwagenfahrer, die früher Kilometerprämien bezahlt bekommen haben. Da besteht die große Gefahr, dass Ruhezeiten nicht eingehalten werden.
Aber Hand aufs Herz: Es sieht doch in der gesamten Gastronomie nicht besser aus mit der Bezahlung, oder?
Es gibt in jeder Branche solide Unternehmen. Aber vor allem in der Hotelbranche, in der Gastronomie, beim Bau und im Transportwesen gibt es windige Vertreter. In der Gastronomie wird der Mindestlohn immer wieder umgangen, indem Zeiten nicht aufgeschrieben werden oder Trinkgeld auf den Lohn angerechnet wird. Das ist absolut illegal.
62, ist seit 2010 Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg
Ich verstehe die Forderung nach Löhnen, die eine vernünftige Rente finanzieren. Bei Lieferdiensten wie Deliveroo und Foodora arbeiten aber vor allem Studenten und Menschen, die gerade erst mit wenig Deutschkenntnissen in Berlin angekommen sind. Die freuen sich doch über solche Jobs.
Und wo ziehen wir da die Grenze? Wenn der Student das Studium abgeschlossen hat und der Migrant besser Deutsch kann, dann muss er sich einen neuen Job suchen? Das ist doch unrealistisch.
Haben Sie nie für wenig Geld gejobbt?
Natürlich. Ich hatte neben dem Studium einen Putzjob in einem Privathaushalt. Da war ich froh, dass es dort immer etwas zu essen gab, weil ich dann nichts kaufen musste. Aber die Zeiten waren andere. Damals konnte man relativ sicher sein, nach dem Studium besser zu verdienen. Heute bleiben Menschen für Jahre in solchen prekären Arbeitsverhältnissen. Gerade in Berlin. Die werden dann zu Aufstockern, und das bedeutet, dass mit öffentlichen Geldern Niedriglöhne finanziert werden.
Und wenn sich das Geschäftsmodell für Lieferdienste nur rechnet, wenn sie so wenig bezahlen?
Das halte ich für Quatsch. Diese Lieferdienste boomen doch. Meine Empfehlung an die Arbeitgeber ist: Tut euch zusammen und schließt einen Tarifvertrag ab. Dann halten sich alle an dasselbe Niveau und es gibt keinen Preiskampf über die Lohnkosten.
Wer ahndet denn Verstöße gegen den Mindestlohn?
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Dort kann man Hinweise melden und die prüfen das. Leider bekommt davon allein noch kein Arbeitnehmer mehr Geld. Im Moment muss jeder einzelne selbst für die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns klagen. Wir setzen uns für ein Verbandsklagerecht ein, wie es in anderen Ländern üblich ist. Dann können wir als DGB klagen.
Wenn nun in der taz steht, dass ein bestimmter Lieferdienst nur 7,50 Euro Stundenlohn an seine Fahrer bezahlt, melden Sie das dann der Finanzkontrolle?
Ja, das würde ich tun. Ich habe es nicht gern, wenn Gewerkschaften nur jammern. Das Ganze muss auch praktisch werden.
Dieser Text ist Teil des Wochenendschwerpunkts in der taz.berlin zu Lieferdiensten. Darin außerdem: Ein Essay und eine Reportage. Ab Samstag in Ihrem Briefkasten und am Kiosk.
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