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Die WahrheitHannobama – eine Stadt dreht durch

Kolumne
von Bernd Gieseking

In ein paar Tagen wird der amerikanische Präsident die niedersächsische Landeshauptstadt besuchen. Deren Insassen dürfen sich auf einiges gefasst machen

K onfusion, der große ostwestfälische Weise hat einmal gesagt: „Hannover ist nun mal nicht Paris.“ Die „Landeshauptstadt“ aller Niedersachsen ist nicht gerade die Stadt, in die alle Welt reisen will. Jetzt wird Hannover noch weiter abgehängt. Nicht nur, dass die 96er aus der Fußball-Bundesliga absteigen und dann nicht mal mehr der FC Bayern ein Mal im Jahr mit Fan-Anhang vorbeischaut. Jetzt gibt es auch noch die Bahnbaustelle auf der Strecke Kassel–Hannover, die angeblich nur zwei Wochen dauern soll.

Zur besten Zeit, die diese Stadt nur haben kann, nämlich während der legendären Hannover-Messe, ist die Kapitale der Niedersachsen quasi gar nicht mehr erreichbar. Es kann sogar sein, dass es zu einer dauerhaften Streckenschließung kommt. Auch ein überraschender Mauerbau um Hannover herum ist inzwischen nicht mehr unwahrscheinlich. Die Insassen Hannovers sollten mit allem rechnen und sich früh genug von der Welt verabschieden.

Der Einzige, der diesen Ring um Hannover durchbrechen wird, ist Barack Obama. Der amerikanische Präsident reist an zur Eröffnung der Messe. Dass er kommt, wird allerdings nur noch zu einer Verschlimmerung der Lage führen, denn wenn Obama erst drin ist, kommt keiner mehr raus. Nicht nur nicht aus der Stadt, die Menschen dürfen teilweise nicht einmal mehr die Häuser verlassen. Der Witz daran ist: Es ist keiner.

In manchen Straßen muss Besuch vor 14 Uhr kommen und mindestens bis 22 Uhr bleiben. Und muss angemeldet werden. Wer will denn die Leute so lang bei sich haben? Seit Wochen bereiten Politik und Sicherheitsdienste die Menschen auf dieses „Mega-Event“ vor. Hoffentlich bereitet sich auch irgendein Attentäter auf diesen Besuch vor, damit sich der ganze Aufwand wenigstens lohnt. Stell dir vor, niemand plant einen Anschlag! Dann wär das ja alles umsonst. Nein, nein – man will so einen Anschlag sicher nicht, aber die Welt ist leider voller Wahnsinniger, und für die Sicherheitsmaßnahmen muss mittlerweile das Gleiche gelten.

Man soll nicht aus dem Fenster lugen, schon gar nicht hinter den Gardinen. Die Hannoveraner sollen Obama auf keinen Fall zuzuwinken. Kein Jubel. Das könne falsch interpretiert werden. Die Ureinwohner dürfen nicht auf ihre Balkone zu treten und Kinder dürfen nicht in den Gärten spielen! Jedenfalls nicht in den Straßenzügen, in denen Obama mit seinem sage und schreibe 651-köpfigen Tross herumgeistert. In manchen Häuserzeilen seien Evakuierungen überlegt worden, hieß es in einer „Bürgerfragestunde“. Im Zooviertel muss sogar eine Konfirmation verschoben werden. Da wird eine Religion unterdrückt! Und vor allem warten Konfirmanden auf ihr Geld!

Wie außerdem bekannt wurde, wohnt eine schwangere Frau im fraglichen fragilen Stadtgebiet. Wird man die Hebamme passieren lassen oder die Frau zur Entbindung ins Krankenhaus durchlassen? Am besten wäre, die Sicherheitsdienste würden das Kind noch vor Barack Obamas Besuch per Kaiserschnitt zur Welt bringen.

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