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portraitPoroschenkos Vertrauter

Wolodymyr Hrojsman will Regierungschef werden Foto: ap

Ich bin weder an Kiew noch an einem Ministerium interessiert“, sagte Wolodymyr Hrojsman 2006 der ukrainischen Wochenzeitung Zerkalo Nedeli. Dieses Credo gilt schon längst nicht mehr. Der derzeitige Parlamentspräsident hat gute Chancen, noch in dieser Woche zum neuen Regierungschef der Ukraine gewählt zu werden. Der 38-jährige Hrojsman, der aus der westukrainischen Stadt Winnyzja stammt, ist ein enger Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko und ergo dessen Wunschkandidat für den Posten des Premiers.

Eine derartige Karriere war nicht unbedingt vorgezeichnet. Als 14-Jähriger heuerte Hrojsman als Schlosser im Betrieb seines Vaters an, zwei Jahre später wurde er Direktor eines kleinen Betriebs. 2002 wurde er ins Stadtparlament von Winnyzja gewählt, ein Jahr später schloss er ein Jurastudium ab.

Bei den Kommunalwahlen 2006 wurde er in Winnyzja zum Bürgermeister gewählt und vier Jahre später mit fast 80 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt – offensichtlich eine Belohnung für sein Engagement in Sachen Wohnungsbau und Modernisierung der Infrastruktur.

Nach dem Umsturz in Kiew im Februar 2014 stieg der verheiratete Vater dreier Kinder zum Vizeregierungschef für Regionalentwicklung und Wohnungsbau auf. Der Kiewer Oberrabbiner Jakov Dov Bleich quittierte diese Beförderung Hrojsmans, der jüdischen Glaubens ist, mit den Worten: Damit werde denen das Maul gestopft, die behaupten, dass die neue Regierung antisemitisch sei. Nach dem Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine übernahm Hrojsman den Vorsitz einer Untersuchungskommission.

Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2014 schließlich zog er über die Liste der Poroschenko-Partei ins Parlament ein und wurde im November zu dessen Vorsitzenden gewählt. Es gehe darum, Reformen voranzutreiben, anstatt sie zu bremsen, sagte Hrojsman in seiner Antrittsrede. Ob er diese Aufgabe erfolgreicher bewältigen wird?

Zumindest vollen Körpereinsatz scheut er nicht. „Ich kann 24 Stunden arbeiten“, zitiert ihn das Internetportal Ukrainska Pravda am Montag. „Das habe ich bewiesen.“ Barbara Oertel

Ausland Seite 10

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