Kommentar Geschlechtergerechtigkeit: Die Quote lässt auf mehr hoffen
Die Quote ist auch wichtig, weil sie Signale aussendet. Denn jetzt muss es um die Geschlechtergerechtigkeit in den unteren Etagen gehen.
W er hätte gedacht, dass fast alle großen DAX-Unternehmen tatsächlich mehr Frauen in ihre Aufsichtsräte berufen? Dass sie das sogenannte Quotengesetz, das am 1. Mai 2015 in Kraft trat, ernst nehmen? So ernst, wie sie sich früher vielfach gegen eine gesetzliche Vorgabe zu mehr Frauen an der Unternehmensspitze gewehrt hatten.
Ist doch alles prima, könnte man jetzt sagen. Ziel erreicht. Die Frauen, die für die 30-Prozent-Marke jahrelang knallharte Lobbyarbeit betrieben haben, die sowohl mit Geschlechtergerechtigkeit als auch mit besseren Unternehmensergebnissen argumentierten, können jetzt die Füße hochlegen.
Machen sie aber nicht. Denn sie wissen: Aufsichtsrats- und Vorstandsposten sind eine elitäre, exklusive Angelegenheit für wenige, sehr gute und sehr gut ausgebildete Akademikerinnen. Was aber ist mit all den anderen Berufstätigen, die in den Ebenen darunter Außerordentliches leisten? Die ebenfalls sehr viel und sehr hart arbeiten, die auf Privatleben verzichten – der Sache wegen und für den Firmenerfolg?
Um die muss es auch gehen. Und um die geht es auch. Im nächsten Schritt beim Engagement der Aktivistinnen für die Quote oder besser: für Geschlechtergerechtigkeit.
Dazu zählt eben nicht nur, den Testosteronspiegel in den Spitzenämtern aufzuweichen. Dazu zählt auch, in den Unternehmen eine familiengerechte und diverse Unternehmenskultur zu entwickeln: wichtige Absprachen nicht mehr nur für einen ausgewählten Personenkreis abends in der Kneipe, mehr Fachkräfte aus anderen Kulturen, flexiblere Arbeitsmöglichkeiten.
Und dazu zählt vor allem, dass Frauen endlich genauso wie Männer bezahlt werden, wenn sie die gleiche Arbeit tun. Klassische „Frauenjobs“ also ideell und finanziell aufzuwerten. Würden all die Frauen in der Alten-, Kranken- und Kinderpflege ihre Arbeit verweigern, würden all die Männer, die davon profitieren, ganz schnell andere Tarife einführen.
Über all diese Ungerechtigkeiten diskutiert dieses Land schon reichlich lange. Passiert ist allerdings nicht allzu viel. Deshalb ist die Frauenquote so wichtig, denn sie sendet ein Signal: Jetzt ist Schluss mit lustig. Die Quote ist Hoffnung: Mehr Frauen an der Spitze haben mehr Einfluss auf geschlechtergerechte Entscheidungen in allen Ebenen der Unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance