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Debütroman von Ronja von RönneTräume sind so nineties

Der Roman heißt „Wir kommen“. Von Rönne porträtiert die „wohlbehütetste und depressivste“ aller Generationen – leider nicht bissig genug.

Ein Bild, so meta wie die Witze ihre Altersgenossen: Ronja von Rönne. Foto: Carolin Saage

Muss es uns „jungen Leuten“ gut gehen. Dass wir uns so langweilen. Dass wir uns so sehr langweilen, dass wir irgendwohin fahren, ohne zu wissen, was wir da sollen. Dass wir Amazon-Rezensionen über Toaster verfassen und uns über Gemüsekisten-Abos unterhalten. Dass wir eigentlich nichts zu erzählen haben. Muss uns langweilig sein, dass uns Therapeuten erklären müssen, dass das völlig in Ordnung ist. Und dass wir am besten drüber schreiben sollten. Dass wir über all das dann tatsächlich Protokoll führen. So wie Nora. So wie Ronja von Rönne.

Die nämlich hat genau das getan. Oder besser: sie hat ihre Protagonistin Nora das tun lassen, so ein Protokoll führen lassen. Auf Ansage. Denn Ronja von Rönne liegt das Thema, das beweist ihr Blog, das beweisen ihre launischen Beiträge für die Welt, in denen sie schon seit einer Weile nicht nur den heutigen Feminismus, sondern auch ihre eigene Generation aufs Korn nimmt.

Nicht zuletzt handelte auch der Text, den sie vergangenes Jahr beim Bachmannpreis in Klagenfurt vorlas, von abgeklärten Langweilern wie Nora, von den Studentinnen der zehner Jahre. Der Text war sarkastisch und böse – und irgendwie wahr. Über ihre Generationskolleginnen standen darin Sätze wie: „Sie studieren Kulturwissenschaft oder Politikwissenschaft, in den Semesterferien reisen sie nach Asien, lassen sich von australischen Backpackern ficken und irgendwo im Hinterland Indiens fühlen sie sich auf einmal ganz klar und wissen, was sie vom Leben wollen.“

Auch in ihrem ersten Roman „Wir kommen“ porträtiert die Autorin die „wohlbehütetste und depressivste“ aller Generationen. Allen voran Nora. Die ist jung, privilegiert und Schauspielerin. Um Geld und Miete muss sie sich eh keine Sorgen machen. Den Eltern sei Dank. Außerdem ist Nora nicht allein. Mit Jonas, Karl und Leonie lebt sie in einer offenen Viererbeziehung. Nora hat alles, was sie braucht. Und genau da liegt ihr Problem.

Ausdruck findet es in regelmäßigen Panikattacken. Der Psychotherapeut rät ihr zum Protokoll. Nora ist genervt, trotzdem schreibt sie. Über ihre Provinz-Kindheit und ihre damalige Freundin Maja, die mittlerweile tot sein soll. Über Jonas, den depressiven Grafikdesigner, der inzwischen viel lieber mit Leonie schläft als mit ihr. Über Karl, der seine Depressionen mit Hilfe von Yoga in Schach hält, den ausgeglichenen Sachbuch-Autor gibt und so gern in „inhaltlosen Büchern mit schöner Typo blättert“. Und über Leonie, junge Mutter eines sprach- und vaterlosen Kindes, die zu alldem ihr stählernes Lächeln aufsetzt und sich zum Ausgleich eben ab und an ein wenig selbst verletzt.

„Wir sahen aus wie alle anderen hier“, heißt es, als sich die vier auf einer öden Hausparty wiederfinden, „wir sprachen den gleichen Code, wir tranken unser Gemüse püriert und nannten das kalifornisch, wir waren genauso schlechte Menschen wie alle hier, aber wir waren schlechte Menschen, die beschlossen hatten, zusammenzugehören“.

Das Buch

Ronja von Rönne: „Wir kommen“. Aufbau Verlag, Berlin 2016, 208 Seiten, 18,95 Euro

Selbst das aber funktioniert nicht. Und so bröckelt die Beziehung, kaum ist sie beschrieben. Auch ein paar gemeinsame Tage am Meer können sie nicht retten. Im Gegenteil, auf der so großen wie gezwungenen Reunion-Party in Karls Strandhaus, die stark an Rollos rauschend-tragisches Fest aus Krachts „Faserland“ erinnert, kommt es zum Eklat.

Dass man überhaupt oft an einen Poproman erinnert ist, liegt auch am ätzend abgeklärten Sound seiner Protagonisten. Träume sind nineties. Nora und Co haben alles durchschaut, alles probiert, alles gesehen, alles erlebt und alles gelesen. Sogar Popromane. Und selbst die sind ihnen Klischee geworden. Bonjour Tristesse.

Doch was früher Lebensgefühl war, Protest und Pose, ist heute, eben, Klischee, nicht nur was „zutiefst unglückliche Beziehungen mit geschmackvollem Interieur“ angeht: „Man kannte die Angst vor dem Fall, man wusste Klischees zu bedienen, man wusste nicht, was man alldem entgegensetzen konnte.“ Was alldem entgegensetzen? Der Roman zuckt mit den Schultern, kratzt sich am Kopf. Auch er verliert sich irgendwann in den Klischees. Bedient sie, wohl wissend, dass er das tut.

Was folgt, ist ein unaufhaltsamer Strom aus gesteigerter Langeweile – für Figuren und Leser. Was folgt, ist viel Ironie und Metawitz. Man vermisst: den beißenden Spott und bösen Sarkasmus der Artikel von Rönnes, den Sound, der aufschreckt und provoziert. Man vermisst: die großartig rotzige Arroganz der Welt-Redakteurin, die mit Anlauf in die Nesseln der politisch korrekten, durchgegenderten Zehnerjahre-Wohlstandsblase springt. Man liest: eine Autorin, der, gefangen in ihren Langweilerfiguren, der Ton abhandenkommt, der Zug. Leider.

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2 Kommentare

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  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Vermutlich ist die Autorin halt auch einfach in der Welt besser aufgehoben. Also der Zeitung. Beziehungsweise dem, was Springer dafür hält.

  • Tja. So ist das wohl, wenn ein Roman wie dieser nicht fiktiv ist sondern Realität, wenn seine "Langweilerfiguren" nicht nur lebensecht dargestellt sind, sondern echt. Man liest dann eine Autorin, der [...] der Ton abhandenkommt, der Zug", Womöglich ist ja die Autorin selbst in Langeweile "gefangen", sogar dann noch, wenn sie schreibt. Weil nämlich hinter dem Schreiben selber auch nichts weiter steckt als einer große grünen Langeweile.