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Gentrifizierung in HamburgVertreibung mit Hindernissen

Der „Schanzenstern“ steht vor dem Aus. Der neue Mieter könnte sich aber eine Kooperation vorstellen – um Protesten im Viertel zu begegnen.

Könnte bald vorbei sein: Der Schanzenstern muss nächsten Monat raus Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Die Fronten scheinen verhärtet, Verhandlungen finden nicht mehr statt. Das Aus des Restaurants und Übernachtungshauses „Schanzenstern“ in der Bartelsstraße naht: Zum 1. April läuft der Gewerbemietvertrag aus. Danach hat die Hausbesitzerin, die Firma HWS Immobilien, das Objekt neu vermietet: an den Hotelier Stephan Behrmann, der bereits das Hostel „Pyjama-Park“ auf der Reeperbahn und das „Fritz im Pyjama“-Hotel an der Schanzenstraße betreibt.

Manche Schanzenviertel-Bewohner sehen den Vorgang als weiteres, zudem drastisches Beispiel für Verdrängung: Der Schanzenhof, die Immobilie, in der unter anderem der Schanzenstern sitzt, gehört seit 2013 den Gebrüder Maximilian und Moritz Schommartz, den Köpfen hinter HWS. Sie haben neben dem Schanzenstern auch der Drogenhilfeeinrichtung „Palette“ und den Mietern der „Schanzenhof-Kulturetage“ gekündigt. Die Miete im Schanzenhof soll Ankündigungen zufolge von 8,50 Euro pro Quadratmeter auf 14 Euro steigen.

Hotelier Behrmann ist zur Kooperation mit dem Schanzenstern bereit: Er stehe für Gespräche „zur Verfügung“, sagt er der taz. „Egal, was dabei rauskommt oder wenn Fehler aus dieser Welt geschaffen werden können.“ Im Gespräch räumt er ein, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, ohne vorherige Kommunikation mit den Schanzenstern-Betreibern einen Pachtvertrag zu unterschreiben. Er habe den Schommartz’ „geglaubt, dass die Verhandlungen mit den Schanzenstern-Betreibern gescheitert sind“, so Behrmann.

Als die Proteste gegen die sich abzeichnende Schanzenstern-Schließung zunahmen und vermummte Unbekannte das „Fritz im Pyjama“-Hotel attackierten – mit Konfetti, aber auch, indem sie die Parole „Schanzenhof bleibt“ versprühten –, habe er sogar mit dem Gedanken gespielt, ganz aus dem Mietvertrag auszusteigen, sagt Behrmann. Dies sei rechtlich nicht möglich, allenfalls auf dem Wege eines Vergleichs mit den Gebrüdern Schommartz. Die allerdings, schätzt Behrmann, hätten auch in dem Fall dann nicht an die bisherigen Mieter vermietet.

Auch wenn der „Point of no Return“ eigentlich überschritten sei, legt Behrmann gegenüber der taz dar, dass er immer noch Möglichkeiten sehe, mit den Betreibern des Schanzenstern-Restaurants zu kooperieren: Die Gastronomie im Erdgeschoss nämlich dürfe er gemäß des Vertrages mit den Hauseigentümern untervermieten. Eine eigene Gastronomie sei auch gar nicht sein Geschäftsfeld. Zu diesem Zweck könnte etwa eine neue Gesellschaft mit beiderseitiger Beteiligung gegründet werden. Behrmann würde dann das Hotel betreiben, der Schanzenstern die Gastronomie übernehmen und auch die Hotelgäste versorgen, zum Beispiel beim Frühstück.

Behrmann will sogar geprüft haben, ob er im Schanzenhof einzig als Zwischenvermieter auftreten und beides, Hotel und Gastronomie, an den Schanzenstern weitervermieten könnte. Seiner Einschätzung zufolge könnte er in dem Fall wegen Vertragsbruchs zu einer Konventionalstrafe verklagt werden. „Da kommen schnell mal mehrere Hunderttausend Euro Vertragsstrafe zusammen.“

Auf taz-Anfrage erklären die Gebrüder Schommartz indes, dass sie sich einem solchen Plan nicht verschließen würden. „Wir stehen für gemeinsame Gespräche über eine Untervermietung gerne zur Verfügung“, so Maximilian Schommartz, „und sind bereit, eine Genehmigung zu erteilen.“

Ob es doch noch zu einer Teillösung kommt, ist zurzeit eher fraglich – und würde der Schanzenstern überhaupt wollen? „Behrmann versucht sich rauszuwinden“, sagt Gunhild Abigt, die Geschäftsführerin des Übernachtungshauses. Man werde mit ihm nicht separat verhandeln: „Es geht auch um die Palette, es geht um den gesamten Schanzenhof, den die Stadt zurückkaufen muss“, so Abigt.

Die Palette ist nicht mehr mit im Boot: „Wir haben neue Räume gefunden, die wirklich gut sind“, sagt Anke Weihnert vom Vorstand. Bis Ende des Jahres könne die Palette im Schanzenhof bleiben. Natürlich seien die dortigen Ereignisse aber ein Akt der Gentrifizierung. „Die Schommartz wollen schnell Geld machen, was wir uns als soziale Einrichtung nicht leisten können.“

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