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Klare Verhältnisse schaffen

Kommentar

von Malene Gürgen

Das myfest wird, was es ist

Haben Sie sich schon einmal mit einem Plastikbecher voll lauwarmem Bier in der Hand durch die rauchgeschwängerte Luft und caipirinhagetränkten Massen geschoben, vorbei an besoffenen Männergruppen, die fürs Berlin-am-1.-Mai-ist-so-verrückt-Foto posieren? Man muss kein Anhänger der These sein, den 1. Mai nur mit einem Stein in der Hand begehen zu können, um am Myfest keine große Freude zu finden. Das Straßenfest, das schon immer einen komischen Beigeschmack hatte, weil es nie nur ein selbst organisiertes Kiezfest, sondern immer auch Befriedungsstrategie von oben war, hat sich zu einer Massenparty entwickelt, die eher anstrengend als aufregend ist. Die denkbar konsequenteste Art, diesen Weg weiterzubeschreiten, wäre die Verpflichtung von Willy Kausch, Erfinder der Massenbesäufnisse, die sich Silvesterfeier und Fanmeile nennen.

Eine seltsame Idee: Diejenigen, die dem Myfest überhaupt noch Charakter geben, nämlich die VeranstalterInnen aus der Nachbarschaft, wird das Fest so wohl verlieren. Denn Kausch wird das Fest nur veranstalten, wenn es etwas zu verdienen gibt. Daran ändert auch die Landesbeteiligung an seinem Unternehmen nichts – würde man tatsächlich das Land in die Pflicht nehmen wollen, um den unkommerziellen Charakter des Festes nicht völlig zu verlieren, müsste man nicht den Umweg über Kausch gehen.

Für AnwohnerInnen, die weniger Betrunkene vor ihrer Haustür haben wollten, ist das eine schlechte Nachricht. Für alle anderen aber eine gute, denn immerhin schaffen sie klare Verhältnisse: Das Myfest hätte so endgültig nichts mehr mit einer Kiezparty zu tun und könnte am 1. Mai zum Sammelpunkt für alle bedauernswerten Idioten werden, die stundenlanges Anstehen am Beck’s-Stand für die höchste Form der Freizeitbeschäftigung halten. Der Rest könnte nach anderen Formen suchen, den Tag der Arbeit zu begehen. Wem die 18-Uhr-Demonstration dabei ähnlich sinnentleert erscheint, der kann ja eigene Ideen entwickeln – wie wäre es mit einem politischen Straßenfest?

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