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Kommentar Aufarbeitung der JustizSpäte Scham nach 60 Jahren

Kommentar von Rudolf Walther

Der Bundesgerichtshof hat sechs Jahrzehnte gebraucht, um sich für ein Schandurteil aus dem Jahre 1956 zu entschuldigen.

Die Justiz zieht nach: Das Mahnmal zum Gedenken der im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin bei der Einweihung 2012. Foto: reuters

W er zu spät kommt, den bestraft das Leben“ – das gilt für den Alltag. Die Justiz kann – schwer nachweisbare Fälle wie Rechtsbeugung ausgenommen – nicht bestraft werden. Die deutsche Nachkriegsjustiz, überantwortet sich durch ihren Umgang mit Nazi-Verbrechern und deren Opfern nicht Gerichten, sondern der ewigen politisch-moralischen Peinlichkeit und Schäbigkeit.

Von einzelnen Personen wie dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968) und seinen Mitarbeitern abgesehen, ist die Nachkriegsgeschichte der deutschen Justiz eine Kette von Skandalen und Versagen. Der Bundesgerichtshof hat 60 (sechzig!) Jahre gebraucht, um sich für ein Schandurteil aus dem Jahre 1956 zu entschuldigen.

Das hohe Gericht in Karlsruhe kam nicht etwa von sich aus auf die Idee, sondern wurde 2015 von Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats von Sinti und Roma auf das skandalöse BGH-Urteil vom. 7.1.1956 hingewiesen. Jetzt kam die BGH-Präsidentin Bettina Limperg dem Wunsch Roses nach, distanzierte sich vom damaligen Urteil und räumte Schuld und Scham ein. Endlich.

Das Urteil von 1956 ging tatsachenwidrig davon aus, die Deportation von Sinti und Roma datiere vom 1.3.1943 und schließe damit Entschädigungsansprüche der Deportierten aus. Himmler hatte, was 1956 bekannt war, schon 1940 die Deportation von Sinti und Roma angeordnet. Das Urteil beruhte aber nicht nur auf völlig falschen Tatsachen, sondern auch auf Begründungen, die direkt aus Nazi-Hirnen stammten.

Die Geschichte der Justiz nach dem Krieg ist eine Kette von Skandalen und Versagen

Demnach haben die Sinti und Roma ihre Deportation und spätere Ermordung durch „eigene Asozialität, Kriminalität und Wandertrieb“ provoziert. Obendrein, so das Urteil, neigten sie zu „Diebstählen und Betrügereien“, weil „ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor dem Eigentum“ fehlten und „ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen“ sei. Unauslöschbares Schandmal einer ehrlosen Justiz.

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10 Kommentare

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  • "…Die deutsche Nachkriegsjustiz, überantwortet sich durch ihren Umgang mit Nazi-Verbrechern und deren Opfern nicht Gerichten, sondern der ewigen politisch-moralischen Peinlichkeit und Schäbigkeit.…"

     

    Daran änderte auch nur wenig -

    Daß der BGH Ende 1995 "eine historische Korrektur seiner Ansicht zur Nazi-Justiz …vollzogen" hat. http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/94/5-747-94.php

     

    Denn - wie Hans Wüllenweber -

    Ein ausgewiesener Kenner -

    Zu recht anmerkte -

    "… Zur späten Vergangenheitsbewältigung gab es für den BGH-Senat keine Alternative. Es sei denn, er hätte den wegen Mitwirkung an Todesurteilen in der Ex-DDR belangten Richter Hans R. (75) straflos stellen wollen.…" http://mobil.berliner-zeitung.de/home/folgenschweres-versagen-der-strafjustiz-eingeraeumt-bgh--ns-blutrichter-waren-kapitalverbrecher,23785270,9066342.html

     

    ff

    • @Lowandorder:

      ff

       

      Hinzu tritt die Wehrmachtjustiz – (Stichwort Filbinger & Co );

      jahrzehntelang durch den Strafrechts-Prof. Erich Schwinge - UniMbg/Lahn - Kriegsrichter in Wien (Reschny-Urteil!) -  geschichtsklitternd der öffentlichen Kritik entzogen.

      Die nach den Untersuchungen von Manfred Messerschmidt/ Fritz Wüllner - über 50.Tausend Todesurteile – überwiegend vollstreckt - verhängt hatte. ( Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus)

       "So konnten Todesurteile in Serie zur Allerweltsangelegenheit werden…" . Während die übrigen kriegsführenden Nationen au 400 bis 600 kamen.

       

      All dies hielt aber 70 Jahre später in den 80ern  eine Kommission aus Ministerialbeamten, Rechtslehrern und Richtern nicht davon ab – klandestin - neue Gesetze gegen zukünftige Verfehlungen von Soldaten im Kriegsfall – d.h. Schubladengesetze für eine Militärjustiz der Bundeswehr zu entwerfen.

      “Schwarze Roben, weiße Halsbinden“ http://m.spiegel.de/spiegel/print/d-13526321.html  &

      “Kampfanzug unter der Robe“ by Ulrich Vultejus; mit einer feinen Liste -

      der Karrieren involvierter

      (Kriegs)-Richter “vorher/nachher“

      In & außerhalb der BRD-Justiz!)!

      (& Richterkollegen nichts dabei fanden Sich außerhalb jeglicher Justizverfassungsrechtlicher Normen Von "vorauseilenden" Gerichtspräsidenten –

      Dafür schon vorsorglich benennen & Auf “Fortbildungen“

      Entsenden zu lassen!)

       

      In Anbetracht einer Verfassungsfreihändig geschaffenen Berufsarmee – Stichwort – Militarisierung/Verpolizeilichung der Gesellschaft -

      Dürfen wir auf eine diesbezügliche Weitere Entwicklung gespannt sein.

      • @Lowandorder:

        Nachtrag - Reschny-Urteil -

        (aufgefunden von Fritz Wüllner)

        "Von der Vergangenheit eingeholt:

        Kriegsrichter Erich Schwinge"

        von Karl-Heinz Krumm

        Frankfurter Rundschau 3.12.1984 ~>

         

        Höchststrafe für Jugendliche 10 Jahre.

        Mit Schwinge als Vorsitz -

        Verurteilung zum Tode -

        " Jedes halbwegs erwachsenes Schulkind weiß, daß das Eigentum Luftkriegsgeschädigten unantastbar ist und jeder Plünderungsakt mit dem Tode bestraft wird."

        (Selbst Vors. des Volksgerichtshofs -Roland Freislers Komm.

        Schloß solches aus!)

        Reschny überlebte auf dem Gnadenweg Durch Heinrich Himmler -

        Reichsführer SS.

        Nicht nur Hans-Jochen Vogel hat bei diesem feinen Herrn bis zu seiner Emeritierung - öh Strafrecht gehört!

  • Ich habe mir auf Anregung des Artikels einiges zu dem angesprochenem Fritz Bauer angeschaut:

     

    Ehre wem Ehre gebührt!

     

    Es gab sicher noch einige andere Aufrechte aber der Korpsgeist der Mehrheit in der Justiz der sich auch wohl schnell auf die Jüngeren ausbreitete brachte Kontinuität, erneutes Unrecht und Opferverhöhnung hervor.

  • "Die Geschichte der Justiz nach dem Krieg ist eine Kette von Skandalen und Versagen."

    Das ist nicht ganz richtig, denn "versagt" hat keiner der Beteiligten im damaligen "Rechts"-Staat. Kein Nazirichter wurde vor die Tür gesetzt. Sie haben nach Kriegsende Ihre Arbeit einfach fortgesetzt. Solche Urteile waren also nur eine logische Folge.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Kaum zu lesen ohne dass es eine richtig schlecht wird.

    Und immer noch keine Wiedergutmachung.

  • Das ist wirklich ein schäbiges Urteil.

     

    Aber nach welcher Logik kann der Entschädigungsanspruch vom Datum der Anordnung der Deportierung abhängig gemacht werden? Das klingt ziemlich krank für mich.

    • Christian Rath , Autor , Rechtspolitischer Korrespondent
      @anteater:

      Der Kommentar ist an dieser Stelle missverständlich. Das Datum der Deportationen im Mai 1940 ist nicht umstritten. Ziel war zwar Polen, aber nicht Auschwitz-Birkenau wie ab 1943. Die Frage zu den Deportationen von 1940 war, ob hierin bereits eine rassische Verfolgung lag oder noch übliches Polizeihandeln. Der BGH hielt die Deportationen für übliches Polizeihandeln. Das war der Skandal.

      • @Christian Rath:

        Danke für die Klarstellung.

        Zu ergänzen ist - daß diese - öh Abschichtung - was ist "originär Nazi-Recht" -

        In der BRD-Höchstrichterlichen Rechtsprechung - als letztlich schwer bedenklich wenn nicht gescheitert angesehen werden muß.

        Der Gesetzgeber spielt dabei

        Doppelpaß - indem Gesetze/Normen - Erlaßen/geschaffen im Tausend&zwölfJährigen -

        Schlicht umfrisiert/umettikettiert wurden.

         

        Das im Zuge der Nürnberger Rassegesetze auf Ausgrenzung der jüdischen Juristen gerichtete RechtsberatungsmißbrauchGesetz - heißt bis heute Rechtsberatungsgesetz!

        Darauf in gerichtlichen Prozessen gerichtete "Angriffe" blieben erfolglos.

        (Friedensbewegung/Volkszählung /Helmuth Kramer!;)

         

        Arbeitnehmererfindung - auch ein feines Beispiel -

        "1942 trat die sogenannte Göring-Speer-Verordnung[5] in Kraft, mit der Erfindungen von Arbeitnehmern insbesondere für die Rüstung "tatkräftig gefördert, ausgewertet und geschützt" werden sollten.[6]

         

        1957 wurde auf Basis der Göring-Speer-Verordnung das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen(ArbNErfG) in Kraft gesetzt.[7] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Arbeitnehmererfindung

         

        Die mehr oder weniger wortgleiche Fortführung ist schon makaber genug. Der Ausgrenzungscharakter bzw die Grundstruktur blieb häufig erhalten. Vor allem unterblieb weitgehend der Gesetze/Normen demokratisch legitimierende öffentliche Gesetzgebungsprozess!

    • @anteater:

      Krank - weil auf gezielte Ausgrenzung bei gleichzeitiger Privilegierung einzelner Gruppen ( LAG & G 131er) gerichtet - war das Kriegsfolgenrecht durchgängig. Alles war zudem gepflastert mit einem Wust von Verwaltungs"vorschriften" Erlassen etc , Bei gleichzeitiger Zuständigkeit von zwei "Gerichtsbarkeiten" - SozG/ VerwG - mit traditionell wenig Austausch!

      Ohne die hier erörterte Entscheidung genau zu kennen - der Stichtag 1.3 1943 soll mit dem unterstellten Verhalten belegen - "selber herbeigeführt" - klar blanker Zynismus!

      Der Hinweis im Beitrag auf

      Himmlers Entschluß 1940 - also vorher! - heißt im Juristendeutsch ->

      Das unterstellte Verhalten war für die Deportation - weil der Entschluß schon vorher feststand/gefaßt war -

      in Wahrheit/Wirklichkeit

      Gar nicht kausal/ wirksam - von Bedeutung -

      kurz - da das 1956 bekannt war - ein

      Mit Verlaub - diffamierender "Taschenspielertrick" - um diese Opfergruppe von sonst fälligen Entschädigungszahlungen weiterhin Auszuschließen.

      So in etwa - so krank.