piwik no script img

Barbara Oertel über die Regierungskrise in der UkraineWürdeloses Herumeiern

Die Bevölkerung fragt sich mittlerweile, wofür sie vor zwei Jahren den Kopf hingehalten hat

Immerhin: Sich prügelnde Abgeordnete und Versuche, den rücktrittsunwilligen Regierungschef Arsenij Jazenjuk aus dem Plenarsaal des Parlaments zu tragen, blieben den Ukrai­nern am Dienstag erspart. Doch das ändert nichts daran, dass die politischen Entscheidungsträger in Kiew mal wieder eine Schmierenkomödie aufführten, die einem die Schamröte ins Gesicht treibt. Und die Frage aufwirft, ob die Beteiligten noch einen wenn auch bescheidenen Rest an Ver- und Anstand haben.

Da forderte Präsident Petro Poroschenko Ministerpräsident Jazenjuk PR-wirksam auf, sich aus seinem Amt zu verabschieden, um so das Vertrauen in die Regierung wiederherzustellen. Bei der Abstimmung über ein Misstrauensvotum sah die Mehrheit der Parlamentarier dann aber doch keinen Handlungsbedarf und entschied sich dafür, die Regierung im Amt zu belassen. Wobei einige Abgeordnete offensichtlich die falsche Taste drückten. Auch der Rücktritt von Generalstaatsanwalt Wiktor ­Schokin ist eine Lachnummer. Angeblich ist der Oberermittler jetzt erst einmal drei Tage im Urlaub – nicht schlecht für jemanden, der in seiner Amtszeit nicht ein einziges Korruptionsverfahren durchgezogen hat.

Jazenjuk kann erst einmal weiterregieren, allerdings nicht so weitermachen wie bisher. Westliche Kreditgeber und Investoren, auf die die Ukrai­ne dringend angewiesen ist, werden dieses parlamentarische Herumgeeiere nicht goutieren. Vor allem aber wächst der Unmut in der Bevölkerung. Die hat diese taktischen Spielchen satt, in denen es nicht zuletzt um schamlose Selbstbereicherung geht. Auch fragen sich die Menschen, wofür sie vor zwei Jahren den Kopf hingehalten und dafür teilweise mit dem Leben bezahlt hat.

Und so könnten bald wieder Tausende auf dem Maidan stehen und nicht eher weichen, bis sie sich auch dieser verhassten Regierung entledigt haben. Jazenjuk und seine Mannschaft sollten gewarnt sein.

Ausland

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen