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Länger auf Mama warten

Familiennachzug Die SPD ist überrascht, was im Asylpaket II steht. Dabei hat sie es im Kabinett mit verabschiedet. Doch ein Passus zu den Minderjährigen fehlt

Hoffnungsvoll: Junge Flüchtlinge beim Radfahrkurs in Lübeck Foto: Christian Charisius/dpa

Aus Berlin Christina Schmidt

Es fehlt etwas im Asylpaket II. Das ist SPD-Chef Sigmar Gabriel aufgefallen, aber erst, nachdem er dem Gesetz im Kabinett zugestimmt hatte. Auch für minderjährige Geflüchtete gilt die Neuregelung, nach der einige Geflüchtete Familienangehörige erst nach zwei Jahren nachholen dürfen. Das sei so nicht verabredet gewesen, sagte er daraufhin, in einem früheren Entwurf waren Minderjährige explizit von der Verschärfung ausgenommen worden. Man sollte doch erwarten können, sagte daraufhin Unionsfraktionsvize Thomas Strobl, „dass die SPD-Ressorts die Gesetzesentwürfe genau lesen“. Seit Monaten verhandeln die Koalitionspartner über das Asylpaket II, das rigide Asylrechtsverschärfungen vorsieht, einwöchige Schnellverfahren beispielsweise oder Leistungskürzungen. Die sind jedoch von Union und SPD gleichermaßen gewollt. Der Streit entfacht sich an einer anderen Passage: dem Familiennachzug.

Die Neuregelung sieht vor, dass „subsidiär“ Geschützte zwei Jahre warten müssen, bevor sie einen Antrag auf Nachzug ihrer Familienmitglieder stellen können. Damit sind sie schlechter gestellt als Flüchtlinge, die direkt nach Anerkennung ihrer Schutzbedürftigkeit ein Visum für Ehepartner, Kinder oder – das gilt nur für Minderjährige – ihre Eltern beantragen können. Als subsidiär Geschützte gelten jene, die nicht aufgrund ihrer Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung geflüchtet sind, aber dennoch bei Rückkehr Folter, Todesstrafe oder Krieg fürchten müssten.

Ursprünglich hatte die SPD Syrer von dieser Verschärfung ausnehmen wollen. Das wiederum fand die CSU inakzeptabel und setzte sich durch. Dann versuchte die SPD nach Angaben Gabriels, minderjährige Geflüchtete herauszuverhandeln – und war nicht erfolgreich. Scheitert daran nun das Asylpaket II? „Wir gehen davon aus, dass der entstandene Gesprächsbedarf rasch ausgeräumt wird“, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Mai­zière (CDU) am Samstag.

Bislang können weder das Innenministerium noch die Parteien Angaben dazu machen, wie viele Geflüchtete überhaupt von der Regelung betroffen sind. Klar ist: Derzeit folgen nur wenige Eltern ihren Kindern nach Deutschland. Laut dem Bundesverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr 442 Eltern. Dabei leben derzeit rund 60.000 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Deutschland. Nur ein kleiner Teil hat den minimalen subsidiären Schutz, um den es bei der Neuregelung geht.

Alleingeflüchtete Minderjährige werden vom Asylgesetz anders behandelt als Erwachsene. Unabhängig davon, ob sie einen Antrag auf Asyl stellen, stehen sie unter Jugendschutz. Sie leben in gesonderten Einrichtungen und haben eine bessere Bleibeperspektive: Wer bei seiner Ankunft in Deutschland jünger ist als 16 Jahre und sich gut integriert, kann schon nach vier Jahren eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, Erwachsene erst nach acht.

SPD-Chef Gabriel hat angekündigt, dass Geflüchtete, die eine Ausbildung abgeschlossen haben, nach der Ausbildung noch zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen, auch wenn ihr Flüchtlingsschutz eigentlich ausläuft. Ein Gesetz dazu steht noch aus.

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