Debatte um Öffnungszeiten: Zehn Stunden Kindergarten
Bis 18 Uhr hat in Bremen eine Kindertagesstätte geöffnet – und die Fröbel GmbH. Beide sagen, dass längere Öffnungszeiten kaum nachgefragt sind.
Das ist am wahrscheinlichsten, denn die großen Bremer Träger wie Kita Bremen, Arbeiterwohlfahrt, Evangelische Kirche und Deutsches Rotes Kreuz (DRK) haben wie berichtet kein Interesse an Kita Plus, weil es auf drei Jahre befristet ist. Dabei räumen sie ein, dass die bisherigen Öffnungszeiten nicht ausreichen.
„Der Bedarf ist da“, bestätigt der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Gerhard Behlau. „Wir haben immer mal wieder Anfragen, ob es länger geht.“ Diese kommen vor allem von MitarbeiterInnen des Klinikums Ost, die ihre Kinder betriebsnah im Kinderhaus „Arche“ unterbringen können. Von 7 bis 17 Uhr ist dies geöffnet. Das sind für Bremer Verhältnisse ungewöhnlich lange Öffnungszeiten.
Noch später können Eltern ihre Kinder nur bei der gemeinnützigen „GmbH Fröbel Bildung und Erziehung“ abholen, die in Bremen seit anderthalb Jahren zwei Kindertagesstätten betreibt. Acht weitere sind in Planung. Die Dependance in der alten Post am Hauptbahnhof wird gerade aufgestockt: Ab August gibt es dann 50 Plätze für Unter- und 60 Plätze für Überdreijährige. Möglicherweise kommen sogar noch einmal 60 Plätze in beiden Bereichen hinzu.
Die Nachfrage ist jedenfalls groß: Bei den Kleinen werde sie rund 40 Absagen verschicken müssen, sagt die Leiterin Maria Hankel. Die wenigsten blieben allerdings längstmöglich bis 18 Uhr. Und kein einziges Mal habe in der diesjährigen Anmeldezeit im Januar jemand nach Spät- und Nachtbetreuung gefragt.
Das ist selbst bei den privat betriebenen „Kinderräumen“ in Schwachhausen nicht anders. Weil sich die Kindertagesstätte ausschließlich aus Elternbeiträgen finanziert, kann sie den Eltern das an Flexibilität bieten, was diese wünschen. Das heißt: Es ist möglich, die Betreuung an einigen Tagen gar nicht in Anspruch zu nehmen oder in unterschiedlichem Umfang.
„Wir können nicht alle Wünsche erfüllen, aber einige und es muss pädagogisch sinnvoll sein“, sagt eine der beiden Gründerinnen, Isabea Fewson. Dafür zahlen Eltern entsprechend viel Geld: 50 Wochenstunden kosten rund 1.000 Euro im Monat. Der einkommensabhängige Höchstsatz bei den von städtischen Zuschüssen abhängigen Einrichtungen beträgt für 40 Wochenstunden 257 Euro. Und die Elternbeiträge müssen für sechs oder acht Stunden täglich gezahlt werden, egal mit wievielen Stunden der Platz in Anspruch genommen wird.
Die Kinderräume seien derzeit von 7 bis 18 Uhr geöffnet, sagt die ausgebildete Erzieherin und Sozialpädagogin Fewson. Wäre der Bedarf da, seien auch längere Betreuungszeiten möglich. „Das hatten wir auch schon, aber es sind nie besonders viele, die das brauchen.“
Offenbar reiche vielen Eltern die Versicherung, dass es theoretisch möglich sei, nach Absprache auch mal länger weg zu bleiben oder das Kind sogar über Nacht betreuen zu lassen. „Da fragen einige nach, aber es machen dann nur wenige.“ Im vergangenen Jahr habe es vielleicht eine Handvoll Übernachtungen gegeben. „Für die Kinder ist das toll, die freuen sich darauf.“ Und: Es gebe Kinder, die jeden Tag zehn Stunden im Kindergarten verbringen. „Die sind hier Zuhause.“
Weil sich nur wenige Eltern die Preise von privaten Kindergärten leisten können, fordern die Bremer Grünen jetzt dazu auf, nach anderen Lösungen zu suchen, wie frühe und späte Öffnungszeiten ermöglicht werden können. „Alleinerziehende Krankenschwestern, StraßenbahnfahrerInnen oder auch VerkäuferInnen benötigen aufgrund der Schichtdienste ab und an auch zu den Randzeiten des Tages und am Wochenende eine Kinderbetreuung, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen“, sagte die genderpolitische Sprecherin der Fraktion, Henrike Müller.
Die Idee: „Außerhalb der üblichen Kita-Öffnungszeiten übernehmen bei Bedarf Tagesmütter oder -väter die Betreuung des Kindes in seiner vertrauten Umgebung zu Hause.“ Wie das genau funktionieren soll und wie eine solche Eins-zu-Eins-Betreuung finanziert werden soll, können die Grünen nicht sagen. „Wir wollen, dass die Debatte weitergeht.“ In Bremen gebe es überdurchschnittlich viele Alleinerziehende und diesen müsse geholfen werden.
Gerhard Behlau vom DRK sieht das genau so. „Wir werden uns dem Thema stellen müssen und dürfen das nicht den Privaten überlassen.“ Aber die Bedingungen für ein Angebot mit hohem pädagogischen Anspruch müssten stimmen, sagt er. „Dafür brauchen wir in Bremen endlich eine vernünftige Finanzierungssystematik und Investitionsmittel für bauliche Veränderungen.“
Als die Träger der freien Bremer Kindertageseinrichtungen vor zwei Jahren forderten, das Hamburger Gutscheinsystem zu übernehmen, das das Angebot an die Nachfrage anpasst, lehnten SPD und Grüne dies ab.
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