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Warlord aus dem KongoVon einem Gefängnis ins andere

Germain Katanga saß seine jahrelange Haftstrafe in den Niederlanden ab. Kaum ist er zurück im Heimatland, steht er erneut vor Gericht.

Germain Katanga im Gericht in Den Haag. Foto: dpa

Berlin taz | Vor einem Militärgericht in Kongos Hauptstadt Kinshasa hat am Mittwoch ein Prozess gegen den ehemaligen Warlord Germain Katanga begonnen. Der einstige Milizenchef ist wegen Rebellion, Mord und Rekrutierung von Kindersoldaten angeklagt – Verbrechen, die er als Leiter der Miliz FRPI (Patriotische Widerstandskräfte von Ituri) im nordostkongolesischen Distrikt Ituri im Jahr 2003 begangen haben soll.

So weit, so unspektakulär. Das Problem: Katanga hat schon vor Gericht gestanden – vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Jemanden zweimal wegen derselben Straftat anzuklagen ist verboten. Kongos Justiz sagt, es seien andere Straftaten. Aber die Anklagepunkte gehören zu denen, die der ICC im Prozess gegen ihn verhandelte, mit Ausnahme des Vorwurfs der Rebellion, den das Völkerstrafrecht nicht kennt.

Das Schicksal des 38-jährigen Katanga dürfte abschreckend auf jeden Kriegsverbrecher wirken, der sich überlegt, mit der Weltjustiz zu kooperieren. Nach dem Ende des Ituri-Krieges 2003 hatte Kongos Regierung den damals 25-jährigen Milizenchef zum General befördert – und ihn drei Jahre später verhaftet und nach Den Haag ausgeliefert. 2014 wurde er schuldig gesprochen und zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Knapp sieben davon hatte er zu dem Zeitpunkt bereits in der Untersuchungshaft abgesessen.

Aufgrund guter Führung wurde ihm im November 2015 das letzte Drittel der Haftstrafe erlassen, womit nur noch wenige Wochen übrig blieben. Er entschied sich, diese Zeit in der Heimat zu verbüßen. Also flog der ICC Katanga am 19. Dezember 2015 in den Kongo. Er kam ins berüchtigte Zentralgefängnis Makala in Kinshasa und dachte, er werde da nur einen Monat verbringen.

Erneute Anklage

Am 18. Januar 2016 hätte Katanga entlassen werden müssen. Stattdessen wurde er von Kongos Militärgerichtsbarkeit erneut angeklagt, gemeinsam mit seinem ehemaligen FRPI-Milizenkollegen Goda Sukpa, der nie nach Den Haag ausgeliefert worden war. Dass Sukpa jetzt vor Gericht kommt, ist die Begründung für das neue Verfahren auch gegen Katanga. Dem Rom-Statut des ICC zufolge ist ein erneutes Verfahren gegen einen ehemaligen ICC-Häftling im Heimatland aber nur möglich, wenn zuvor in Den Haag ein entsprechender Antrag gestellt und genehmigt wurde. Dies ist nicht erfolgt. Die entsprechende Prüfung läuft noch.

All das wäre Katanga nicht passiert, wenn er seine Reststrafe in den Niederlanden abgesessen hätte. Dann aber wäre er nach Ende seiner Haftzeit vermutlich sowieso in den Kongo abgeschoben worden oder in niederländischer Auslieferungshaft gelandet. Das war das Schicksal seines einstigen Milizenkollegen Mathieu Ngudjolo, der 2012 in Den Haag freigesprochen wurde und sich danach obdach- und mittellos in den Niederlanden wiederfand. Er beantragte vergeblich Asyl, wurde im Mai 2015 nach Kinshasa abgeschoben und dort zunächst kurz verhaftet. Er tauchte dann wieder auf, aber sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

Germain Katanga kam aus Den Haag ins berüchtigte Zentralgefängnis Makala in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Er dachte, er würde da nur einen Monat verbringen

Der einzige andere verurteilte Häftling des ICC, der Kongolese Thomas Lubanga, wurde im Dezember gemeinsam mit Katanga aus Den Haag nach Kinshasa geflogen. Er muss seine volle Haftstrafe von 14 Jahren absitzen. Sie läuft noch bis zum Jahr 2018.

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