heute in Bremen
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"Sargnagel für Klimagipfel"

DISKUSSION Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel spricht über zerstörerische Finanzmärkte

Rudolf Hickel

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74, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Bremen.

taz: Deregulierte Finanzmärkte und geostrategische Kriege in anderen Staaten: Wie hängt das zusammen, Herr Hickel?

Rudolf Hickel: Die Finanzmärkte sind treibende Kraft vieler Konflikte und auch die Finanzkrise ist noch nicht vorbei. Dazu kommen Schattenbanken und Hedgefonds. In Hedgefonds konzentriert sich das Kapital der Milliardäre. Ihr einziges Ziel: rentabel investieren. Bei der extremen Ungleichverteilung der Vermögen birgt die aggressive Suche nach Anlagemöglichkeiten großes Konfliktpotenzial.Sind die Banken mitverantwortlich für Krisen wie in Syrien?Ja, soweit sie an der Finanzierung beteiligt sind. Weil gerade die Rüstungsindustrie in viele Konfliktregionen Waffen exportiert, gewinnen die Aktien an Wert. Investitionen in Waffen haben Flüchtlinge zur Folge. Deshalb müssen die Waffenexporte gestoppt und friedliche Lösungen erarbeitet werden.

Wer kauft die Aktien der Waffenindustrie?

Indirekt sind Menschen über Fonds an Aktien der Rüstungsindustrie beteiligt. Deshalb haben sich jedoch bereits einige Gegenbewegungen formiert, die „saubere Fonds“ fordern – ohne Aktien von Rüstungskonzernen.Welche Investoren sind besonders problematisch?Die großen US-amerikanischen Konzerne, deren Interessen mit dem Freihandelsabkommen TTIP auch noch gestärkt werden sollen. Außerdem ist das unkontrollierte Land-Grabbing Chinas besorgniserregend. Mit seinen Streifzügen versucht China, die halbe Welt aufzukaufen. So wird es ein mächtiger Konkurrent der USA.Wie beeinflusst der derzeit extrem niedrige Ölpreis ihrer Meinung nach die Geopolitik des Westens?Der Ölpreis ist der Sargnagel für alle Klimagipfel. Er sendet das Signal, dass die Ölressourcen unerschöpflich sind und die Umwelt egal ist. Mehr Öl wird verbraucht und das führt zu einer Verschärfung der Klimakatastrophe – einer der zukünftigen Hauptfluchtgründe.

Interview: Eva Przybyla

„Finanzmärkte – Geopolitik – Kriege“ mit Rudolf Hickel und Folker Hellmeyer von der Landesbank, moderiert von Sönke Hundt (Die Linke): 19.30 Uhr, Kornstraße 31