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Appetitmacher für ungeliebte Fächer

ELITEFÖRDERUNG Weil im Chemie- und Physik-Unterricht das Ausprobieren oft zu kurz kommt, erleben Schülerlabore einen Boom. In Hannover beteiligen sich Schüler an der Spinnenseide-Forschung. Hamburg baut ein Forschungszentrum für begabte Schüler

Naturwissenschaftlichen Breitensport gibt es in Hamburg genug, jetzt geht es um Elitenförderungen. So könnte man wohl die Pläne für das neue Schülerforschungszentrum in der Hansestadt zusammenfassen. „Es ist ein besonderes Angebot für die begabten Schüler. Es soll ihnen Rückenwind geben und helfen, ihre Interessen weiter auszubauen“, sagte Schulsenator Ties Rabe bei der Vorstellung. 4,8 Millionen Euro kostet der Bau.

Das Geld kommt von der Joachim Herz Stiftung, der Körber Stiftung, dem Arbeitgeberverband Nordmetall und der Universität Hamburg. Die Behörde für Schule und Berufsbildung stellt zwei Lehrerstellen. Zusätzlich sollen sich erfahrene Pädagogen als Tutoren einbringen und Lehramtsstudenten hier erste Praxiserfahrungen sammeln. Anfang nächsten Jahres soll das Zentrum eröffnen.

Bundesverband zählt allein im Norden 68 Schülerlabore

Ein Plan, der gut in die Zeit passt. In den letzten Jahren stieg die Zahl der Schülerlabore stark. 68 zählt der Bundesverband der Schülerlabore allein im Norden.

Ihr Themenspektrum ist groß, die Modelle sehr unterschiedlich. Ein Teil der Schülerlabore sucht gezielt die Nähe zu den Lehrplänen der Schulen. Dort passt das im Labor Gelernte optimal zum Unterricht. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Kooperationen zwischen Universitäten und Schulen. Studierende der Technischen Universität Hamburg-Harburg leiten Arbeitsgemeinschaften an Partnerschulen, eng abgestimmt auf den Fachunterricht. Die Schüler können im Gegenzug die Labore der Hochschule nutzen.

Andere Projekte setzen eher auf freiwilliges Engagement von interessierten Jugendlichen. So können sich an der Medizinischen Hochschule Hannover Schüler an der Spinnenseide-Forschung beteiligen. Die Fäden sollen in Zukunft bei der Regeneration zerstörter Nerven helfen oder als Nahtmaterial bei Operationen dienen. Das Labor für Regenerationsbiologie bietet neben Ausflügen und Projekten für untere Klassen auch Praktika für begabte Schüler.

Die Hoffnung ist immer dieselbe. Das freie Experimentieren soll Appetit machen auf eher ungeliebte Fächer wie Physik, Mathematik oder Chemie – und zwar besser als es der naturwissenschaftliche Unterricht an den Schulen kann. Statt Formeln zu pauken, können die Schüler eigene Ideen verfolgen, experimentieren und sich selbstständig Zusammenhänge und Theorie erarbeiten.

Am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel haben Forscher die Wirkung von Schülerlaboren untersucht. Ihr Ergebnis: Die Motivation der Schüler für den Physik- und Chemieunterricht stieg durch den regelmäßigen Laborbesuch und das sogar über längere Zeit. Diese Untersuchung deckt sich mit anderen Studien, die zeigen, dass praxisnaher Unterricht die Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik eher weckt als reine Theorie.

Doch hinter dieser Erkenntnis und dem Boom der Schülerlabore steht auch ein Offenbarungseid des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Für praktische Erfahrungen bleibt an vielen Schulen kaum noch Zeit. Die Lehrpläne wurden in den letzten zehn Jahren drastisch zusammengestrichen und die Stundentafeln sind zu starr. Selbst eine Doppelstunde ist kurz, wenn alle Utensilien für ein Experiment auf- und auch wieder abgebaut werden müssen. Und spätestens bei aufwendigeren Versuchen stoßen Schulen ohnehin an die Grenzen ihrer Ausstattung. An vielen Schulen fehlt es an passenden Fachkollegen in Chemie, Physik oder Mathematik. Diese Lücke mit den Angeboten von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu füllen, erscheint also gar nicht abwegig.

Zunehmend engagieren sich auch Lobbyverbände

Doch nicht immer sind nur öffentliche Bildungseinrichtungen die Träger der Schülerlabore. Zunehmend engagieren sich auch Stiftungen, Lobbyverbände und Unternehmen. Deutschland ist schon jetzt Spitzenreiter in Sachen privat organisierter Lernstätten.

Bayer, BASF, Nordmetall und Co unterstützen Schülerlabore nicht nur aus Nächstenliebe. Sie sichern sich so ihren eigenen Nachwuchs im Bereich Mathematik, Informatik und Naturwissenschaft (MINT). Außerdem dient das Engagement der Imagepflege und Vertreibung ihrer Inhalte. Das Problem: Kontrollinstanzen oder klare Regeln dafür gibt es nicht.

Selbst der Bundesverband der Schülerlabore warnte bereits vor einer Unübersichtlichkeit der Labor-Angebote. Vielen Lehrern sei schlicht nicht mehr klar, was wo überhaupt wie vermittelt wird. Birk Grüling

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