Kommentar Zukunft Afghanistans: Alle Eier in einem Korb
Afghanistan bleibt instabil. Auf die Vermittlung Pakistans zu hoffen, ist jedoch trügerisch – der Nachbar wird die Taliban nicht fallenlassen.
V or Beginn des Jahres, in dem eigentlich die verbliebenen westlichen Truppen aus Afghanistan abgezogen werden sollten, ist das Land weiter vom Frieden entfernt als in vielen Jahren zuvor. Nicht einmal ein erfolgversprechender Durchbruch in Richtung des Beginns substanzieller Friedensgespräche ist in Sicht – auch wenn die meisten Beteiligten den Eindruck zu erwecken versuchen, das Gegenteil sei der Fall.
Der afghanischen Regierung steht das Wasser bis zum Hals. Die Taliban führten erst im ehemaligen Bundeswehrstandort Kundus und nun in der Provinz Helmand aller Welt vor Augen, wie fragil nicht nur Kabuls Sicherheitsapparat geblieben ist. Dazu kommt eine fast ungebremste wirtschaftliche Talfahrt. Interne Gegner fordern den Rücktritt der Regierung; Expräsident Karsai bietet sich bereits wieder als Alternative an.
Staatschef Ghani hat deshalb „alle Eier in einen Korb gepackt“, wie man in der Region sagt; er setzt alles auf die Karte Pakistan. Das Nachbarland soll seine Schützlinge, die afghanischen Taliban, an den Verhandlungstisch zwingen. Das war im Juli schon einmal geschehen, führte aber nicht weit.
Jetzt ist Pakistans Armeechef erneut in Kabul und soll es so aussehen lassen, als ob sich wieder etwas bewege. Der Weg über Islamabad ist kurz und erscheint daher attraktiv. Aber er ist von politischem Wunschdenken geprägt. Pakistan braucht die Taliban als künftigen Einflusskanal nach Kabul, wird sie also nicht fallen lassen. Als Vermittler ist Pakistan ungeeignet, es muss aber Partei eines Friedensabkommens werden.
Kabul braucht einen Plan B. Der wird aus dem sprichwörtlichen langsamen Bohren dicker Bretter bestehen und das diplomatische Werkzeug erfahrener Vermittler wie der UNO benötigen. Zunächst muss das auch hierzulande mit Händen zu greifende Desinteresse am angeblich hoffnungslosen Fall Afghanistan überwunden werden – den man allerdings selbst mitorganisiert hat.
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