Hamburg erschwert Studienzugang durch Klage : Fegebank will Löcher schließen

Neues Gesetz soll Studienplatzklagen wieder erschweren. Hochschulen dürfen Betreuungsdichte verändern.

Versucht, sich Studierende vom Leib zu halten: Hafencity-Universität. Foto: Christian Charisius/ dpa

HAMBURG taz | Kurz vor Weihnachten macht die Grüne Wisenschaftssenatorin Katharina Fegebank den Hochschulen ein Präsent. Ein neues Gesetz zur „Änderung kapazitätsrechtlicher Regelungen“ soll ab Sommersemester 2017 verhindern, dass Studienplatzklagen erfolgreich sind. Zugleich räumt es den Hochschulen einen Freiraum ein. Sie dürfen die Betreuungsdichte und die Höchstzahlen einzelner Studiengänge „per Satzung“ festlegen.

Fegebanks Vorgängerin Dorothee Stapelfeldt (SPD) war vor einem Jahr mit einem ähnlichen Gesetz gescheitert. 2012 hatten es knapp 1.000 Studienbewerber geschafft, mit Hilfe einer Klage doch noch einen Platz zu ergattern. Stapelfeldts „Ausbildungskapazitätsgesetz“ (AKapG) sollte dem einen Riegel vorschieben, indem die sechs staatlichen Hochschulen und die Behörde feste Platzzahlen pro Studiengang vereinbarten.

Wieder klagten Studierenbewerber, 747 mit Erfolg. Die Gerichte sahen in dem Gesetz einen Verstoß gegen die Verfassung. Denn das Grundrecht auf freie Ausbildungsstättenwahl zwingt die Hochschulen, mit öffentlichem Geld geschaffene Kapazität „erschöpfend zu nutzen“. Da in Stapelfeldts Gesetz nur von Studienplätzen die Rede ist und die Richer nicht mehr prüfen konnten, wie viel Lehrkapazität dahinter steckt, verdonnerten sie zum Beispiel die Hafen-City-Universität in Stadtplanung statt 71 gleich 100 Anfänger aufzunehmen.

Weitere solcher Urteile waren zu befürchten, die die Hochschulen gezwungen hätten, bis an die Grenze der „Funktionsfähigkeit“ Bewerber aufzunehmen. Deshalb setzte Fegebank im April das Stapelfeldtsche Gesetz für zwei Semester außer Kraft. Das ungeliebte Gesetz wird nun modifiziert. „Wir haben eine Zwischenlösung gewählt“, sagt Fegebank. So gibt es weiterhin Vereinbarungen mit allen Hochschulen über ihre Platzzahl. Diese sollen aber „reines Binnenrecht der öffentlichen Hand“ und „ohne Außenwirkung“ sein. Damit habe die Begrenzung der Plätze „keine grundrechtsverletzende Funktion mehr“, heißt es in der Gesetzesbegründung.

Für die Festssetzung der Studienplaltz-Kapazität ist der Curricularnormwert (CN) wichtig.

Rechenbeispiel: Vier Professoren, sechs Wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrbeauftragte erbringen 63 Stunden Lehre pro Woche. Beim CN-Wert 3 ergibt das 21 Studienplätze.

Jura hat derzeit einen niedrigen CN von 2,2, BWL 2,5, Architektur 4,3, Sinologie 6,6, Klavier 19,6.

Eingeklagt haben sich in Hamburg 2012 rund 970, 2013 rund 750, 2014 rund 750 Studierwillige.

2015 hatte Hamburg 11.306 Anfänger an staatlichen und 4.921 an privaten und kirchlichen Hochschulen und 828 an internen Verwaltungs-Hochschulen. Die vorliegenden Zielvereinbarungen sehen für die meisten staatlichen Hochschulen einen Abbau vor.

Wichtige Details wie Höchstzahl pro Studiengang sollen die Unis selber festlegen. Dazu gehört auch der Lehraufwand pro Student, der im so genannten „Curricularnormwert“ (CN) erfasst wird. Innerhalb einer gewissen Bandbreite sollen die Hochschulen diesen Aufwand künftig selbst festlegen können. Entsprechende Modelle hätten sich in acht anderen Bundesländern bewährt.

Und schließlich schließt Fegebanks Gesetz eine Reihe von Schlupflöchern, durch die Studierwillige sich einklagten. So musste die Hochschule für Angewandte Wissensschaften (HAW) kürzlich 100 Bewerber für den Studiengang Soziale Arbeit zusätzlich aufnehmen, weil es dort vier unbesetzte Professuren gab, die im HAW-Präsidium geparkt waren. Künftig sollen solche Stellen bei der Kapazität „unberücksichtigt“ bleiben. Forschungsstellen soll generell unterstellt werden, dass keine Lehre erbracht wird. Auch Elitestudiengänge werden möglich.

Für einen der schärfsten Kritiker des AKapG, den Hamburger Anwalt Joachim Schaller, der viele Kläger vertreten hat, ist er neue Enturf nicht mehr „eindeutung verfassungswidrig“, gleichwohl aber „streitanfällig“. Denn es werde teilweise wieder das Kapazitätserschöpfungsgebot außer Kraft gesetzt. Es sei richtig, zum alten Recht zurück zu kehren. Aber den Hochschulen so viel zusätzlichen Freiraum zu geben, finde er problematisch, sagt Schaller.

„Die Hochschulen erhalten Befügnis, per Satzung die Lehre auszudünnen"“, sagt Till Petersen, Referent der Uni-Fachschafträtekonferenz. Dahinter stehe das politische Ziel, trotz Schuldenbremse und sinkender Mittel die Studienplatzzahl hoch zu halten.

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