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Kommentar zu AbschiebungenDie neue Härte fordert Opfer

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das Asylrecht schafft eine Zweiklassengesellschaft der Geflüchteten. Hauptsache die Statistik stimmt, die Humanität bleibt dabei auf der Strecke.

Diese Geflüchteten reisen freiwillig wieder aus. Foto: dpa

E s war die größte Asylrechtsverschärfung der letzten 20 Jahre, die im Oktober im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht wurde. Doch es gab keinen Aufschrei, weil sie vom unionsinternen Streit um eine ominöse Asyl-Obergrenze und Merkels „Wir schaffen das“ überdeckt wurde. Nun werden die Härten sichtbar, die das neue Asylrecht mit sich bringt. Und klar wird, dass die Kritiker mit ihren Befürchtungen richtig lagen.

Menschen, die viele Jahre in Deutschland gelebt haben oder sogar hier geboren und aufgewachsen sind, werden jetzt in angeblich „sichere Herkunftsstaaten“ abgeschoben, deren Sprache sie oft gar nicht mehr sprechen. Sie werden nachts ohne Vorwarnung aus ihren Betten geholt, zum Flughafen gebracht und nach Albanien oder das Kosovo verfrachtet, wo sie keine Aussicht auf Arbeit, Ausbildung oder ein menschenwürdiges Leben haben.

Viele Bundesländer haben die Schlagzahl ihrer Abschiebungen erhöht. Angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, haben sie einen Aktionismus entwickelt, der vor allem darauf zielt, die Gesamtzahl um jeden Preis zu drücken. Hauptsache, die Statistik stimmt. Das geht auf Kosten der Humanität und fordert Opfer.

Es mag ja nachvollziehbar erscheinen, Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben und die nicht vor einem Bürgerkrieg fliehen, rasch wieder in ihre Heimat zurückzuschicken – auch wenn viele von ihnen dann womöglich als Illegale nach Deutschland zurückkehren werden. Doch die neue Härte trifft auch viele Menschen, die vor einem Jahr noch gute Aussichten hatten, weiter geduldet zu werden oder ein Bleiberecht zu erhalten.

Sie schafft eine Zweiklassengesellschaft zwischen Flüchtlingen etwa aus Syrien, die rasch integriert werden sollen – und solchen, die längst hier heimisch geworden sind, aber nun abgeschoben werden, nur weil sie Roma vom Balkan sind. Das ist widersinnig und schlichtweg nicht nachvollziehbar.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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3 Kommentare

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  • Die unangemeldeten, nächtlichen Abschiebungen sind für die Betroffenen sicherlich unangenehm. Ich denke, die Behörden handeln aber nach Erfahrungen. Würden sie sich tagelang vorher anmelden, dann würde sich ein Großteil der nicht anerkannten Flüchtlinge durch Flucht und Untertauchen der Abschiebung entziehen. Der deutsche Rechtsstaat würde dann als schwach und nicht durchsetzungsfähig dastehen. Dieses Bespiel könnte auch in anderen Bereichen dann Schule machen.

  • Die Flüchtlinge sind auch die Konsequenz aus der deutschen Politik: Angefangen von den Maßnahmen, die gegen Roma und Zinti in fast allen Balkan-Staaten ergriffen werden, bis hin zur regelrechten Vertreibung dieser Menschen. Das ist alles illegal, aber die deutsche Regierung will diese Menschen auch nicht dann am Ende hierhaben, aber gleichzeitig toleriert sie solche Staaten mit ihren stetigen Verletzungen an Menschenrechten.

  • Auch in einem kurzen Kommentar darf man einen Lösungsansatz vorschlagen, gerade weil Sie viele Probleme gleichzeitig ansprechen: sichere Herkunftsländer, Staatsbürgerschaft, menschenwürdige Abschieberegeln, wozu auch Kontinuität dazugehören sollte.

    Mal ein Anfang: eine nächtliche Abschiebung ohne Vorwarnung geht einfach mal gar nicht. Auch wenn es für die abgeschobene Person keinen großen Unterschied macht, soviel Würde sollte Artikel 1 GG doch noch versprühen. Also Forderung: nächtliche Abschiebungen verbieten.