Umfrage zum Freihandelsabkommen: Wenig Begeisterung für TTIP
Nur eine Minderheit findet das Abkommen gut. Auch viele Sozialdemokraten lehnen den Wirtschaftspakt ab. In der SPD bleibt das Thema umkämpft.
Berlin taz | Trotz massiver Werbung von Industrieverbänden und Politik halten nur ein Drittel der BundesbürgerInnen das geplante Freihandelsabkommen TTIP für „eine gute Sache für Deutschland“, 46 Prozent finden es schlecht. Das geht aus einer repräsentativen Emnid-Umfrage hervor, die die TTIP-kritische Organisation Campact in Auftrag gegeben hat.
Im Oktober hatten mehr als 200.000 Menschen in Berlin gegen das Freihandelsabkommen demonstriert, über das die EU und die USA seit 2013 verhandeln. Sie fürchten unter anderem, dass Sozialstandards gesenkt werden und die Macht von Konzernen etwa durch private Schiedsgerichte steigt.
Industrieverbände und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) befürworten TTIP, weil das Abkommen den Zugang zum US-Markt erleichtern soll. Sie versprechen sich davon Wachstum und neue Arbeitsplätze.
Der Umfrage zufolge sind 91 Prozent der Linkspartei-Anhänger, 67 der Grünen- und 57 Prozent der SPD-SympathisantInnen gegen das Abkommen. Selbst 40 Prozent der Unionsanhänger lehnen es ab. Von den SPD-Anhängern sind 47 Prozent überzeugt, dass sich die Sozialdemokraten schaden würden, wenn sie ihre bislang strengen Bedingungen für eine Zustimmung zu dem Abkommen abschwächen würden.
Selbst unter den Unionswählern sind 40 Prozent gegen TTIP
„Das Terrain ist innerhalb der SPD umkämpft“, sagt Campact-Sprecher Jörg Haas. Beim Parteitag in der vergangenen Woche wurde nach kontroverser Diskussion ein Antrag des Parteivorstands verabschiedet, der nach Auffassung von KritikerInnen hinter bisherige Positionen zurückgefallen ist, zum Beispiel beim Thema Investorenschutz. Die SPD will zwar keine privaten Schiedsgerichte, aber spezielle Klagerechte für Konzerne. „Viele Formulierungen sind sehr vage“, sagt Maritta Strasser, TTIP-Expertin von Campact.
Gabriel will SPD über TTIP abstimmen lassen
Sozialdemokratische TTIP-Gegner sind allerdings der Auffassung, dass sie beim Parteitag keine Niederlage erlebt haben. „Wir erkennen, dass sich etwas bewegt“, sagt der Berliner Gewerkschafter Rolf Wiegand. Die TTIP-Kritiker wollen nicht aufgeben: „Wir sagen: dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben.“
Auf dem Parteitag war ein Antrag gescheitert, der scharfe Bedingungen für TTIP fordert – aber rund 40 Prozent hatten dafür gestimmt. Dass der Antrag keine Mehrheit bekam, dürfte auch an der Zusage von SPD-Chef Gabriel liegen, dass ein Parteitag oder ein Parteikonvent über das TTIP-Verhandlungsergebnis abstimmen wird.
Die Zusage werten TTIP-Kritiker innerhalb und außerhalb der SPD als Erfolg. Der Druck an der Basis sei groß, sagt Campact-Sprecher Haas. „Entscheidend ist, dass der Parteitag Gabriel keine freie Hand gegeben hat.“ Gabriel wolle in die Mitte, aber verorte sie falsch, ist Haas überzeugt: „Die Mitte ist gegen TTIP.“
Leser*innenkommentare
dan0106
Das Lesen der taz wird auch immer umständlicher seit der Einführung des Genderings.
Die Grünen und die SPD scheinen nur weibliche Sympathisantinnen (Tschuldigung -Innen) zu haben, während die Union nur aus Anhängern besteht (Zitat: ...Grünen- und 57 Prozent der SPD-SympathisantInnen gegen das Abkommen. Selbst 40 Prozent der Unionsanhänger lehnen es ab.)
Weibliche KritikerInnen gibt es manchmal. Manchmal sind die TTip-Gegner auch nur männlich.
Da kann man sich ja gar nicht auf den eigentlichen Inhalt des Artikels konzentrieren!
27741 (Profil gelöscht)
Gast
Wir müssen aufpassen! TTIP verstellt momentan den Blick auf das, was schleichend die Demokratie unterhöhlt. Ministerien rufen immer öfter mit Unternehmen Initiativen ins Leben, die uns irgendetwas erzählen wollen. Schulen lassen sich sponsern. An Bushaltestellen werden immer mehr Werbetafeln installiert, mit denen die Töchterunternehmen der Städte Einnahmen generieren, sich damit aber auch in Abhängigkeit begeben. Wer sich an die Finanzkrise 2008 erinnert, weiß noch wie die Zeitungen gejammert haben ob der ausbleibenden Werbeeinnahmen. Die Existenzangst ging um. Wer beim DFB eine Karte für die EM kaufen will, muss Mitglied im Fan Club Nationalmannschaft sein. Costa garnix ist nicht. 40 Euro Eintritt werden verlangt. Wir werden von hinten überrollt und merken es noch nicht mal. Jeder wird noch ein anderes Beispiel kennen. Hier liegt meiner Meinung nach die größte Gefahr.
ThinkDifferently
"Gabriel will SPD über TTIP abstimmen lassen"
Klingt basisdemokratisch und hört sich ja fast so an, als könne die Basis über einzelne Punkte abstimmen...
Aber schön getäuscht!
Denn es wird hinterher nur über ein JA oder NEIN zu entscheiden sein - tja! ganz einfach.
Vor der Abstimmung werden natürlich Schreckens- u. Bedrohungs-Szenarien aufgebaut und/oder "riesige" Vorteile ausgemalt, damit die Fraktionsspitze die 50+x Prozent erreicht und TTIP durchwinken kann.
Basisdemokratie!
Bitbändiger
"Im Oktober hatten mehr als 20.000 Menschen in Berlin gegen das Freihandelsabkommen demonstriert..."
Meines Wissens waren es mehr als 200.000.
Hansi Müller
Äh ... es waren rund 200.000 - und nicht 20.000 - die in Berlin gegen TTIP demonstriert haben. Aber es stimmt natürlich auch, dass es "mehr als 20.000" waren ... ;)
2097 (Profil gelöscht)
Gast
SPD = Hartz-IV
SPD = Freihandelsabkommen
Besser kann es für die CDU nicht laufen. Mittlerweile vermute ich, der Seeheimer Kreis ist ein CDU U-Boot in der SPD. Bald ist es geschafft und die SPD ist vollständig überflüssig.
elmer vogelbein
@2097 (Profil gelöscht) so LANGSAM SOLLTE ES AUCH BEI DIR ANGEKOMMEN SEIN...selbst die CDU hat es inzwischen verstanden (und das heisst was) ohne die Agenda stände Deutschland heute mit Frankreich in einer Reihe
lions
@elmer vogelbein Ach, und die es inD unmittelbar betrifft, es sind Mio, stehen auch nach durchschnittl. franz. Verhältnissen noch einige Reihen weiter hinten. Was sagen Sie denn denen ?
2097 (Profil gelöscht)
Gast
@Elmer Vogelbein: Ach was, mit den Unsummen, die die Deregulierung der Finanzmärkte 2008 gekostet hat und auch noch heute kostet, hätten wir das Sozialsystem vor Hartz-IV hundert Jahre weiterführen können und gigantische Konjunkturprogramme umsetzen können! Und die Deregulierung war auch Bestandteil der Agenda Schröders.
Quellen: http://www.meinepolitik.de/daserste.pdf https://www.youtube.com/watch?v=QjbYAFUWTwM
Als ehemaliger rot/grün Wähler hatte ich 1998 die Erwartung, dass eine soziale Politik umgesetzt werden würde, die ein Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich stoppen und umkehren würde. Doch leider wurde eine Politik umgesetzt, die weder dem SPD noch dem Bündnis 90/die Grünen Parteiprogramm entsprach. Die Vermögenden wurden entlastet und die unteren und mittleren Einkommensschichten belastet. Die Vermögensteuer wurde abgeschafft, anstatt diese verfassungskonform zu reformieren und fortzuführen. Der Spitzensteuersatz wurde gesenkt, Körperschaftsteuersatz ebenso, die Finanzmärkte wurden liberalisiert/dereguliert, Privatisierungen forciert, Kettenarbeitsverträge ermöglicht. Außerdem wurde die gesetzliche Rente geschwächt und eine private Vorsorge erforderlich gemacht. Auch die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und Hartz IV eingeführt, also drastische Kürzungen im sozialen Bereich vorgenommen.
2097 (Profil gelöscht)
Gast
Ergänzung: Durch diese steuerlichen und sozialpolitischen Maßnahmen wurde das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich noch zusätzlich verstärkt. Die Schere ist in den rot/grünen Jahren noch weiter auseinandergegangen. Auch heute noch wird diese „neoliberale“ Politik von den Grünen und der SPD fortgesetzt. Herr Kretschmann hat sich u.a. gegen eine angemessenere Besteuerung von Erbschaften ausgesprochen. Und Herr Gabriel ist u.a. für das Freihandelsabkommen. So lange der Seeheimer Kreis die SPD dominiert, wird das nichts mit sozialdemokratischer Politik. Und so lange Personen wie Kretschmann oder Katrin Göring-Eckardt bei den Grünen was zu sagen haben, wird das auch nichts mehr mit sozialökologischer Politik bei den Grünen!
Grüne und SPD sollten endlich die Untersuchungen von Thomas Piketty und die erfolgreiche Politik von Roosevelt zur Kenntnis nehmen und entsprechend umsetzen und nicht noch länger ignorieren. http://www.taz.de/!5109265/
Ulrich Frank
@elmer vogelbein Und so geschah es, oh Du Herr, daß heute Deutschland auf Frankreich (und anderen EU-Ländern) herumtrampelt, die EU am Zerbrechen ist bzw. nur noch äußerlich zusammenhält, und der Chef der Deutschen Eisenbahn seine Golddukaten, wie der Chef der Lummerland Bahn, in Abhängigkeit von der Pünktlichkeit der Züge ausgezahlt erhält!