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Kommentar Rassistische StraftatenStaatsversagen gegen rechts

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Über 100 Menschen wurden in diesem Jahr bei rassistischen Übergriffen verletzt. Kaum eine dieser Taten wird aufgeklärt.

„Staatsversagen“: Ausgebrannte Asylbewerberunterkunft in Flensburg. Foto: dpa

W enn populistische Politiker wie der CDU-Ehrgeizling Jens Spahn von „Staatsversagen“ in der Flüchtlingspolitik sprechen, dann meinen sie damit, dass Deutschland seine Grenzen besser sichern und für mehr Abschiebungen sorgen, kurz, mehr Härte gegenüber Flüchtlingen zeigen sollte.

Doch das wahre Staatsversagen zeigt sich derzeit ganz woanders. Es zeigt sich im Versagen einer Verwaltung, der es mancherorts einfach nicht gelingen will, die Herausforderung durch die große Zahl von Flüchtlingen menschenwürdig zu meistern, so wie in Berlin.

Und es zeigt sich im Versagen der Sicherheitsbehörden, die Regeln des Rechtsstaats gegen all jene durchzusetzen, die ungehemmt gegen Flüchtlinge hetzen und von denen manche zu Gewalt greifen.

Selbst der Verfassungsschutz warnt davor, durch rhetorische Brandstifter sei die Hemmschwelle zur Gewalt gesunken. Fast täglich brennt es irgendwo in Deutschland. Doch fast keine dieser Taten wird aufgeklärt, hat ein Rechercheteam der Zeit kürzlich ermittelt.

Sachsen droht ein rechtsfreier Raum, ein failed state innerhalb dieser Republik zu werden

Und das, obwohl schon über 100 Menschen allein in diesem Jahr bei Übergriffen verletzt wurden. Die Aufklärungsquote bei diesen schweren Straftaten ist lächerlich gering. Von Schmierereien, Beleidigungen und Sachbeschädigungen gar nicht zu reden.

Besonders schlimm ist es in Sachsen: Ein Viertel aller über 100 allein in diesem Jahr registrierten Brandanschläge wurde dort verübt, und in keinem Bundesland wurden 2015 so viele Übergriffe auf Flüchtlinge verzeichnet.

Das liegt auch an einer Politik, die der rechten Hetze in diesem Bundesland nicht entschieden genug entgegentritt. Und an einer Polizei, bei der der Wille zu fehlen scheint, gegen rechte Gewalttäter so entschieden durchzugreifen, wie sie es bei linken Gegendemonstranten macht. Gerade Sachsen droht in dieser Hinsicht ein rechtsfreier Raum, ja geradezu eine Art failed state innerhalb dieser Republik zu werden.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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14 Kommentare

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  • 2G
    23854 (Profil gelöscht)

    Wen man bei der Verfasungsschutz Personen mit fraglichen karakter zuge bescheftigt in Form von sogenanten V-Männer darf man sich nicht mehr wunder über die verseumnuse die tatsechlich passirt worden sind.

    Wen man dan die strukturele rassismus bei der Organen des Exekutive noch dabei in Augen füren darf, dan hat man das kompletes Portret.

    Das lange dauern von solche ungesunde

    paradoxen fürt zu mistrauen und abbau von Demokrati und rechtstaates Deutschland.

    Die konsekwenzen sind von unvorsehenbare dinamik betrofen und werden als Opfer ungleichwertige Menschen in unsere Geselschsft hart zu trefen sein.

    Die bekwemlichkeit von Möchtigen und verantwortliche ist nicht mehr hinnembar.

    Man muss einen solche unverantvortlichkeit eine entscheidene ende setzen.

  • Hat zwar nur wenig mit Flüchtlingsheimen zu tun, aber mit Gegendemonstranten:

    Am Wochenende habe ich ganz am Rande die Ausschreitungen in Leipzig miterlebt. Ohne näher darauf einzugehen hätte man das (von allen Seiten) in dieser Form verhindern müssen. Ich überlege aber - wie hier im Artikel und in den Kommentaren - schon angedeutet auch, warum es die Polizei in Sachsen schafft, 150 Neonazis gegen ca. 1000 (oder wieviele das dann wirklich waren) vermumte Randalierer zu verteidigen, es aber nicht schafft ein Gebäude permanent gegen Faschos mit Brandsätzen zu beschützen.

    Ich frage mich nun aber zunehmend, was passiert, wenn man den Spieß umdreht. In Leipzig war der Auslöser ja, dass Neonazis in linken Vierteln "demonstrierten". Was würde passieren, wenn die Antifa u. Ä. eine Demonstration von 500 Mann nach Dortmund-Dorstfeld oder ein anderes eindeutiges Neonazi-Viertel organisieren? Werden dann die rechten "Gegendemonstranten" auch zusammengeprügelt? Oder was passiert dann? Es ist, als Experiment real umgesetzt sicherlich riskant, aber mehr als jetzt kann man als Autonomer ja eigentlich auch nicht aufs Maul bekommen.

  • Staatsversagen? Das ist kein Staatsversagen. Das war hier immer schon so, muss auch so sein und wird bleiben bis diese Regime auf dem Müllhaufen der Geschichte zu liegen kommt.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Staatsversagen. Das trifft den Nagel auf den Kopf.

     

    Wo sind sie die Sondersendungen, wie Brennpunkte in der ARD? Die Jauch, Maischberger, Illner, Anne Will und Lanz- Polit- Talk-Sendungen mit dem Thema "Rechtsterrorismus in Deutschland" (und Europa)?

     

    Was muss denn noch passieren? Wieviel Menschen müssen dem braunen Terror noch zum Opfer fallen?

     

    Nicht auszudenken was in Deutschland loswäre wenn ähnliche Delikte von linken Extremisten ausginge....

    Die Vergangenheit hat es gezeigt:

    Zur Hochzeit des RAF- Terrorismus gab es Strassen,- und Verkehrskontrollen, die Polizei hatte die Maschinenpistole stets im Anschlag.

    Bedrohliches Szenario damals, aber letztendlich effektiv.

    Und warum lässt sich mit den heutigen Möglichkeiten der Überwachung nicht mehr verhindern?

     

    Merkels Mantra "wir schaffen das" würde ich in Bezug auf ein nachhaltiges vorgehen gegen Rechts sehr begrüßen.

     

    Und die Medien- ausgenommen die TAZ- dürfen ruhig mal ein anderes Vokabular verwenden.

    Wörter wie:

    "FlüchtlingsFLUT", "FlüchtlingsWELLE", "FlüchtlingsPROBLEMATIK", "FlüchtlingsANSTURM" scheint einigen Deutschen nicht zu bekommen

  • "Sachsen droht ein rechtsfreier Raum, ein failed state innerhalb dieser Republik zu werden" - das ist Sachsen doch längst: Man schaue auf den Leipziger Bordellprozess, wo nicht die Täter, sondern die Opferzeuginnen sowie berichterstattende Journalisten verfolgt wurden. Oder auf den Prozess um den Jenaer Stadtpfarrer Lothar König, wo u.a. Videoaufnahmen sinnentstellend zurechtgeschnitten wurden.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob "Staatsversagen" eine angemessene Umschreibung dafür ist? Vielleicht passt besser "gefährliche Unterlassung"?

     

    Aber der Redakteur deutet es ja selber schon an: Alles, was der Staat gegen die Nazis zu tun unterlässt oder sich gar bewusst weigert zu tun - alles das, wendet er mit doppelter und dreifacher Härte gegen die Linken an. Wird irgendwo kreativ und künstlerisch protestiert, schon verhängt der Staat den militärischen Ausnahmezustand ("Gefahrengebiet"). Bei den Linken ist jedes Mittel recht und keine Methode zu teuer, um sie einzuschüchtern und mundtot zu machen.

     

    Da werden Existenzen in langwierigen Gerichtsverfahren geschädigt, nur weil eine/r an einer Blockade gegen einen Nazi-Aufmarsch teilgenommen hat. Jahrelang werden linke Szenestrukturen bespitzelt wie anno dazumal in der DDR. Und martialische Polizeiaufgebote plus brutale Prügeleinsätze sind sowieso Routine zur Überwachung und Unterdrückung jedes linken Protests, während der Staat nicht in der Lage oder auch nicht willens ist, Menschen vor Brandanschlägen und Nazipogromen zu beschützen. Umgekehrt werden linke Demonstranten schon eingekesselt, damit die Polizei ein deutschland-kritisches Transparent erbeutet.

     

    Ob es sich hier also um "Staatsversagen" handelt, weiss ich nicht. Jedenfalls kann ein ausgewogenerer Einsatz der Ressourcen, sprich: setzt diese Mittel doch auch mal gegen Nazis ein und schikaniert nicht dauernd nur die Linken!, vermutlich Leben und Gesundheit so mancher Person retten.

     

    Ich erinnere nur mal so an Heiligendamm 2008, damals war der Staat sogar bereit, "präventiv" Demonstranten einzusperren, also nur wegen einer angeblichen, von Polizeikreisen propagierten "Gefahrenlage" konnte der Staat demokratische Grundrechte ausschalten. Nur jetzt, wo ganz konkrete Gefahren und nicht nur angenommene Risikoszenarien von Nazis ausgehen, da soll der Staat plötzlich nicht in der Lage sein, einzugreifen? Schwer zu glauben!

  • Thomas de Maizière hat nun mal 2001 - 2005 als Minister in Sachsen ganze Arbeit geleistet.

    • @Rainer B.:

      Thomas de Maizière war doch nie Minister in Sachsen.

       

      aber von der CDU waren bis lang alle

      • @IL WU:

        Er war:

        1999 - 2001 Chef der sächsischen Staatskanzlei

        2001 - 2002 Sächsischer Staatsminister der Finanzen,

        2002 - 2004 Sächsischer Staatsminister der Justiz und

        2004 - 2005 Sächsischer Staatsminister des Inneren.

  • "Doch fast keine dieser Taten wird aufgeklärt, hat ein Rechercheteam der Zeit kürzlich ermittelt."

     

    Wen wundert´s? Die meisten Ermittlungen werden von der Kripo an den "Staatsschutz" abgetreten... danach hört man nie wieder was davon.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Die Staatsschutzdezernate sind Teil der LKA, Einstellungenetc. gehen von der zuständigen StA aus...

      • @KarlM:

        Teamwork oder konzertierte Arbeitsminimierung?

        • @Rainer B.:

          Erklärt sich einfach aus der Tatsache wer das Verfahren "führt".

          • @KarlM:

            Die Staatsanwaltschaft ist allerdings eine Anklagebehörde und keine Ermittlungsbehörde. Sie muss sich bei der Strafverfolgung auf die Ermittlungsergebnisse anderer Institutionen stützen. Was nicht ermittelt wurde, kann durch die Staatsanwaltschaft i.d.R. auch nicht verfolgt werden.

            Bislang ging - wohl nicht nur - ich immer davon aus, dass die jeweilige Landespolizei ermittelt. Nun lese ich etwa beim Berliner-LKA folgendes: " Im Gegensatz zu den meisten Landeskriminalämtern in Deutschland ist das Berliner LKA ein Ermittlungs-LKA”. So,so!

            http://www.berlin.de/polizei/dienststellen/landeskriminalamt/