piwik no script img

Grüne jetzt doch für CannabisDie Koalition der Kiffer

Lautlos begrub Hamburg sein Modellprojekt zur Cannabis-Abgabe. Die Grünen taten mit, doch jetzt lassen sie das Thema wieder auferstehen.

Nur Efeu, ehrlich! Grünen-Chefin Anna Gallina scheiterte mit Cannabis-Modellversuch Foto: Christian Charisius/dpa

Das Projekt wurde fast lautlos beerdigt. Anfang November gaben SPD und Grüne auf einer Senatsanhörung bekannt, dass sie ihren Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis nicht weiter vorantreiben werden. Die Chancen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seine notwendige Zustimmung geben werde, seien zu gering.

Damit war ein wichtiger Punkt des rot-grünen Koalitionsvertrags, die Prüfung eines solchen Modellversuchs, abgehakt: Prüfung vollzogen, Ergebnis negativ, Rot setzt sich – wieder einmal – gegen Grün durch. SPD-Gesundheitssprecherin Sylvia Wowretzko kam damals zu dem Schluss, „dass ein Projekt zum Verkauf von Cannabis an Konsumenten zu Genusszwecken auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht genehmigungsfähig wäre“.

Gut einen Monat nach dem vorläufigen Aus für die kon­trollierte Hasch-Freigabe, für die sich auch Justizsenator Till Steffen (Grüne) stets eingesetzt hatte, formiert sich der Widerstand. Parteiübergreifend haben sich PolitikerInnen verschiedener Parteien dem „Cannabis Social Club Hamburg“ angeschlossen, um Flagge zu zeigen für die Legalisierung von Hanf und Hasch.

Mit dabei bei der „Koalition der Kiffer“ sind etwa die Landesvorsitzende der Grünen, Anna Gallina, ihr Stellvertreter Michael Gwosdz, die ehemalige Linken-Abgeordnete Kersten Artus und der aktuelle Vize-Fraktionschef der Linken, Deniz Çelik. Auch die beiden Hamburger Chefs der Piratenpartei Thomas Michael und Martin Sieber-Schütz zählen zu der illustren Runde.

Mit dabei bei der Koalition der Kiffer sind die Landesvorsitzende der Grünen, Anna Gallina, und ihr Stellvertreter Michael Gwosdz

„Wir haben inzwischen Mitglieder aus fast allen demokratischen Parteien und aus verschiedenen Drogenhilfeeinrichtungen“, sagt der Vorsitzende des Cannabis-Clubs, Andreas Gerhold. Gleichzeitig betont er, dass die meisten Clubmitglieder „parteipolitisch ungebunden“ seien.

Doch Aufmerksamkeit bescheren dem Club vor allem die prominenten Grünen, die sich gegen den rot-grünen Abgesang auf das Modellprojekt wehren. So meint Gallina: „Ob erlaubt oder verboten, gekifft wird immer. Prohibition hat noch nie funktioniert.“ Aufgegeben hat die junge Parteichefin deshalb auch noch nicht: „Wir wollen ein Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene, um diese gesellschaftliche Realität in geordnete Bahnen zu lenken, die Suchtprävention zu verbessern, Gesundheitsschäden zu minimieren und den Jugendschutz zu verbessern.“

Angesprochen darauf, dass dieser kühne Plan, gerade gescheitert ist, antwortet Gallina: „Wir bleiben dran, weil wir wissen, dass neue Wege in Sachen Cannabis-Legalisierung überfällig sind.“

Für den gesundheitspolitischen Sprecher der FDP Wieland Schinnenburg hingegen ist der Beitritt der Grünen-Spitze zum Kiffer-Club eine „Scheinheiligkeit der Extraklasse“. Erst für den Modellversuch, ihn dann mit beerdigt, anschließend in der Bürgerschaft einen FDP-Antrag für die kontrollierte Cannabis-Abgabe niedergestimmt, nun wieder an der Spitze der Bewegung – das ist für den FDP-Politiker „der Umfaller vom Umfallen“. Schinnenburgs Fazit zum Hanfstrauch-Wechsle-dich-Spiel: „Die Grünen wechseln ihre politische Meinung nach Tütenlänge.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!