Kolumne Apocalypse Now: Der typische Geek-Fehler
Unternehmen entdecken ihr grünes Gewissen und basteln an ihrer Klimabilanz. Eine unvermauschelbare Roboterregierung könnte helfen.
V on der längerfristigen Möglichkeit einer Roboterregierung erzählte Levin Keller vom Bundesverband Bitcoin dieser Tage dem Vice-Magazin. Und meinte damit, dass man mit Hilfe von Blockchain-Technologie, dem Rückgrat der Digitalwährung Bitcoin, ein Regierungssystem installieren könnte, in dem Menschen nicht Menschen wählen, sondern Regierungsprogramme. Die dann von Robotern implementiert werden.
Eine Idee, die mal wieder den typischen Geek-Fehler begeht, Technik für neutral zu halten und an die Objektivität ihres Handelns zu glauben, was Unsinn ist. Nur: Beobachtet man den Klimazirkus in Paris, dann kann man diesen Traum von einer starken Maschine nachvollziehen: Schluss mit all diesen Zerredeversuchen des rational sinnvollen Ziels, die Erde zu retten. Her mit einer unvermauschelbaren Entität, in die man einfach ein Ziel – sagen wir mal ganz crazy: Beschränkung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad – reinkippt – und die dann, fupp fupp, ausspuckt, wer nun was zu tun hat. Autorität durch Berechnung.
Was selbstverständlich völlig naiv ist und nicht stattfinden wird. Aber zumindest würde man dann den Unternehmen die Bühne wegziehen, die sich da in Paris ihres ach so We-are-the-world-mäßigen grünen Engagements brüsten. Google zum Beispiel. Der Suchmaschinenkonzern gibt mit dem „größten und mannigfaltigsten“ Deal für erneuerbare Energien ever an: 842 Megawatt, vor allem aus schwedischen und chilenischen Wind- und Solarprojekten.
In Europa soll bald schon alles Gegoogle mit Strom aus Erneuerbaren laufen – ganz zu schweigen von den Milliarden, die man ohnehin in erneuerbare Energien investiere. Wobei Apple und Facebook einem einem Greenpeace-Report zufolge ihre Rechenzentren sogar noch grüner mit Solar, Wind und Geothermie bestreiten.
Was am ehesten bezeugt, dass diese Firmen erkannt haben, dass erneuerbare Energien längerfristig am Günstigsten sind. Noch einen Schritt weiter geht Multiunternehmer Elon Musk, der nicht nur den größten Solarhersteller der USA aufgebaut und für seine Tesla-Elektroautos Batterietechnologie entwickelt hat, sondern auch daran bastelt, Menschen auf den Mars zu schießen, um dort eine Kolonie aufzubauen. Falls das hier unten in die Hose geht.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Pünktlich zu den Klimaverhandlungen kündigt eines von Musks Seitenprojekten, der Hyperloop, an, 2016 mit dem Bau von Testsstrecken beginnen zu wollen. 2020 sollen die solarbetriebenen Ultraschnellzüge, die eine Strecke wie San Francisco – LA in einer Stunde bewältigen sollen, dann fertig sein. Ob das klappt? Mal sehen. Aufmerksam gibt es jedenfalls jetzt schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!