Deutsche Wirtschaftsdelegation auf Kuba: „Kuba ist kein einfacher Markt“
Vertreter der Hamburger Wirtschaft haben Kuba besucht. Sie hoffen auf Geschäfte im Kreuzfahrtsektor. Die Hanseaten sind spät dran, der Boom läuft schon.
taz: Herr Schirrmann, Sie sind gerade mit der Delegation von Wirtschaftssenator Frank Horch aus Havanna und Miami zurückgekommen. Haben Hamburger Unternehmen Chancen auf Geschäfte mit Comandante Raúl Castro?
Peter Schirrmann: Es geht nicht nur um Hamburg, es geht auch um Deutschland. Solange das US-Embargo die US-Unternehmen abhält in Kuba zu investieren, gibt es Optionen für deutsche Unternehmen, Geschäftskontakte aufzubauen. Über kurz oder lang wird das Embargo fallen, weil die amerikanischen Unternehmen schon lange Druck machen, um mehr nach Kuba exportieren zu können. Folgerichtig läuft derzeit ein Wettrennen unter Europäern und Asiaten, den die geostrategische Lage Kubas ist exzellent und die Insel hat Potential.
Wer gehörte zu der Delegation?
In erster Linie Vertreter der Hafenwirtschaft, des Kreuzfahrtsektors, der Reedereien und regenerativer Energieunternehmen. Wir wurden auch eingeladen, um den neuen Tiefwasserhafen von Mariel zu besuchen.
verrät sein Alter nicht und betreibt die Handelsgesellschaft Delatrade, die Rohstoffe für die Medikamentenproduktion und Lebensmittel nach Kuba verschifft.
Rund um den Hafen, der gut vierzig Kilometer von Havanna entfernt liegt, soll eine Sonderwirtschaftszone entstehen. Gab es schon etwas zu sehen?
Ja, allerdings geht es dort deutlich langsamer voran als geplant. Immerhin kommt dort auch deutsche Technologie zum Einsatz, denn in den nächsten Wochen soll dort eine Müllverbrennungsanlage installiert werden, die nahe Würzburg gebaut wurde. Rund um den Hafen gibt es noch einen großen Ausbau- und Investitionsbedarf. Da suchen die Kubaner händeringend nach Investoren und da hat Hamburg auch Erfahrung und Know-how. Ernstes Interesse von kubanischer Seite gab es zudem an regenerativen Energieprojekten sowie im Bereich der Hafenbewirtschaftung. Wesentlich schwieriger ist hingegen die Situation im Handel, wo ich tätig bin.
Sie sind der einzige Hamburger Unternehmer, der ein Büro in Havanna unterhält. Warum ist es so schwierig, in Kuba Fuß zu fassen?
Beim Handel und auch im Tourismus schauen die Kubaner schon jetzt in Richtung USA. Das geht so weit, dass Flächen schon für potentielle US-Investoren reserviert werden, wird in Havanna gemunkelt. Gerüchte besagen auch, dass Absichtserklärungen für eine Fährverbindung zwischen Miami und Havanna sowie Tampa und Havanna bereits unterschrieben sind. Die Weichen für die Zeit nach dem Fall des Embargos werden gestellt.
Das heißt, für die Hamburger Kreuzfahrtunternehmen und Reedereien ist es höchste Zeit, wenn man noch einen Fuß in die Tür bekommen möchte?
Ja, das ist richtig und die Konkurrenz aus Ländern wie Spanien oder auch China ist stark. Kuba ist sicherlich kein einfacher Markt, aber das Potential ist da und zum Glück gibt es die Hermes Exportkredite, die uns absichern.
Sie haben schon mehrfach lange auf Ihr Geld warten müssen. Wie ist die Zahlungsmoral der kubanischen Regierung derzeit?
Die Situation ist schwierig, denn wir unterzeichnen teilweise Verträge mit Zahlungszielen von 180 und 360 Tagen. Es gibt auch Beispiele, wo die Kubaner auf Zahlungsziele von 720 Tagen pochen. Das ist die derzeitige Entwicklung und das zeigt, dass Geld in Havanna knapp ist – trotz des Tourismusbooms, den die Insel gerade erlebt. In Havanna gibt es kaum Betten, alles ist ausgebucht, weil alle Welt Kuba noch erleben will, bevor die US-Amerikaner kommen und die Insel sich merklich verändern wird. Junge US-Amerikaner sind jetzt schon überall in Havanna zu sehen und ich glaube, dass nächstes Jahr rund 600.000 Amerikaner Kuba besuchen werden. Da müssen die Infrastruktur erweitert und viele neue Hotels gebaut werden.
Der Boom bietet viele Chancen – auch für Hamburger Unternehmen?
Ich denke schon, denn die Gespräche in den Ministerien waren positiv, das Interesse im Kreuzfahrtsektor scheint auf beiden Seiten groß zu sein und die Kubaner suchen nach Investoren. Es werden beispielsweise große Infrastrukturprojekte wie der Bau eines weiteren Hafens bei Santiago de Cuba und eines neuen internationalen Airports geplant. Da gibt es auch Optionen für deutsche Unternehmen. In Havanna geben sich die Delegationen deshalb derzeit die Türklinke in die Hand. Das internationale Interesse ist da. Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung, aber woher das Geld kommen soll, um das alles zu bezahlen, steht in den Sternen.
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