Sängerkrieg im Grand-Prix: Par odre du moufti
Der NDR nominiert Xavier Naidoo - und bringt die eigenen MitarbeiterInnen gegen sich auf. Die Sehnsucht nach starken Männern ist groß.
Dafür, dass ihn die Empörung nicht überrascht haben kann, ist die Vorwegverteidigung von NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber streckenweise erschreckend dünn, um nicht zu sagen – aber warum eigentlich nicht? – geradezu bizarr dümmlich. So könne der Sänger kein Antisemit sein, weil sein Vater doch „nur durch die Hilfe eines jüdischen Onkels überhaupt nach Deutschland gekommen“ wäre; das habe Naidoo ihm erzählt, sagt Schreiber.
Nun sind Naidoos Lieder ja nicht als politische Kommuniqués zu lesen. Und sicher: Gewalt und ihre Verherrlichung sind abscheulich, aber künstlerisch kein Ausschlussgrund. Und ESC-Songs haben grundsätzlich keine ernst zu nehmende Botschaft. Sonst müsste man mal Lenas Aufruf zur Selbst-Entmündigung – „Where you go, I’ll follow“ – oder Nicoles unterwürfiges Sich-Fügen in die Rolle der Regierten, die nur auf Frieden hoffen kann, problematisieren.
Wirklich schlimm ist, dass dem NDR als Antwort auf die Krise – Germany Zero Points – das Ersetzen einer demokratischen durch eine diktatorische Entscheidung scheint: Statt eines für alle offenen Tele-Votings wird par ordre de moufti, präsidial, jemand eingesetzt. Dass dann am Ende einer vorn steht, der diese Sehnsucht nach starken Männern und Führern teilt und publik macht und sich für dafür geeignet hält, das kann nicht überraschen. Das hat in Deutschland Tradition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt