: Verdammt lang her
FRAGEN Im Deutsche-Bank-Prozess soll Friede Springer über die Geschäfte des Medien-unternehmers Leo Kirch aussagen. Erinnern kann sie sich daran allerdings kaum
Aus München Patrick Guyton
Name? Friede Springer. Alter? 73 Jahre. Mit den Angeklagten oder Herrn Dr. Kirch verschwägert oder verwandt? Nein. Beruf? Kauffrau.
Der kleine Verhandlungssaal B 273 im Münchner Justizzentrum ist voll, als am gestrigen Nachmittag Friede Springer, die Mehrheitsaktionärin und damit Chefin der Axel Springer SE, als Zeugin aussagte.
Was wusste die Frau im violetten Kostüm mit der adretten Frisur von Leo Kirch? Was von der Deutschen Bank? Und ist ihr damals, vor 13 Jahren, bekannt gewesen, dass die Deutsche Bank womöglich bei dem überschuldeten Medienunternehmer Kirch einsteigen, Teile seines Imperiums übernehmen wollte? Kirch war damals im Besitz von 40 Prozent der Springer-Aktien. „Ich weiß das nicht mehr“, sagt Friede Springer vor der Wirtschaftsstrafkammer des Münchner Landgerichts. „Es gab viele Gerüchte.“ Und: „Ist ja schon so lange her.“
Es ist ein kurzer Auftritt im Prozess gegen Teile der früheren und heutigen Führungselite der Deutschen Bank. Und doch ist er so typisch, denn er hinterlässt erneut jenes Gefühl, welches dieses Verfahren schon seit seinem Beginn Ende April prägt: Ratlosigkeit. Nach gerade einmal 15 Minuten kann Friede Springer wieder gehen.
Die Geschichte des einstigen Münchner Filmhändlers Leo Kirch, der Deutschen Bank und des Zusammenbruchs des tausendfach verschachtelten Kirch-Imperiums ist lang und sehr verworren. Auf der Anklagebank sitzen Jürgen Fitschen, der Noch-Co-Chef der Deutschen Bank, die früheren Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere frühere Spitzenmanager des Geldinstituts, umgeben von einer gewaltigen Verteidigerriege. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: versuchter Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall. Dieser Fall hat, neben anderen Prozessen, die Deutsche Bank schon viel Geld und Reputation gekostet.
Als der überschuldete Leo Kirch, ein Freund des Exbundeskanzlers Helmut Kohl (CDU), im Jahr 2002 pleiteging, machte er dafür den damaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer verantwortlich. Denn dieser hatte am 3. Februar 2002 dem US-Sender Bloomberg ein verhängnisvolles Interview gegeben. Darin hatte er die Kreditwürdigkeit Kirchs bezweifelt, der auch bei der Deutschen Bank jede Menge Schulden hatte. Kurz nach dem Interview brach die Kirch-Gruppe tatsächlich zusammen. Kirchs Fazit: „Erschossen hat mich der Rolf.“
Leo Kirch, der 2011 starb, war einst die Fähigkeit zugeschrieben worden, mit nichts etwas zu kaufen und damit immer mehr zu machen. Nach der Pleite überzog er Breuer und die Deutsch-Banker mit Schadenersatzklagen, vertreten von dem Rechtsanwalt und einstigem CSU-Politiker Peter Gauweiler. Die Stoßrichtung war: Mit seinem Interview habe Breuer absichtlich die Reputation Kirchs zerstört. Und die Deutsche Bank wollte selbst bei der Zersplitterung der Kirch-Gruppe Geld machen und Teile davon gewinnbringend weiterverkaufen.
Ende 2012 kam es zum Vergleich – das Geldinstitut zahlte den Kirch-Erben eine Entschädigung über 925 Millionen Euro. Ein Eingeständnis der Schuld? Die Münchner Staatsanwälte sehen das so. Dann aber, so die Folge, hätten Fitschen und Co. gelogen, als sie im Zivilverfahren immer wieder beteuerten, man habe Kirch nicht in den Ruin treiben und an ihm verdienen wollen.
Was wusste man bei Springer davon? Kirch sei immer „sehr freundlich“ gewesen, sagt Friede Springer, wenngleich er 30 von insgesamt 40 Prozent seiner Aktien ohne ihr Wissen „heimlich über Treuhänder gekauft“ habe. Im Sommer 2002 bat er Friede Springer zu sich nach München. „Da stand bei ihm das Feuer unter dem Dach“, merkt Richter Noll an. Kirch habe ihr, so Springer, die Aktien angeboten. Seine Drohung war, dass er sie sonst an „einen Sohn Gaddafis“ verkaufen werde. Bei der Aussicht, dass die ehemalige libysche Diktatorenfamilie bei Springer einsteigt, habe sie gedacht: „Um Gottes willen.“ Sie habe die Aktien aber nicht bezahlen können. Wie ist man dann verblieben? „Gar nicht.“
Einen Verhandlungstag nach dem anderen versucht die emsige Staatsanwältin Christiane Serini, einen versuchten Prozessbetrug zu belegen. Bisher war das allerdings eher vergeblich, ein klarer Beleg oder Beweis für die Absichten der Bank-Manager steht aus. Der ruhige und umsichtige Richter Noll warnte denn auch einmal, dass das Verfahren „mausetot“ sei, wenn die Staatsanwaltschaft nicht mehr vorbringen könne. Gestern wurde mit der Verlesung eines neuen, 90-seitigen Beweisantrags begonnen. Weitere Akten sollen demnach die Ziele der Banker belegen.
Diese aber wollen einen Freispruch. Dafür hat etwa Jürgen Fitschen den bekannten Frankfurter Wirtschaftsanwalt Hanns W. Feigen angeheuert. Dieser hat bereits den einstigen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking verteidigt – und im vergangenen Jahr den Ex-FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß.
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