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Vier rote Karten im Steuerskandal

BERICHT Ein Jahr nach LuxLeaks hat die EU kaum Konsequenzen gezogen. Deutschland bremst

Jean-Claude Juncker Foto: Zipi/dpa

BRÜSSEL taz | Ein Jahr nach dem LuxLeaks-Skandal gehen Steuerdumping und Steuervermeidung in der EU ungebremst weiter. Neben Luxemburg gehört auch Deutschland zu den „größten Übeltätern“, kritisieren 19 Organisationen im Europäischen Netzwerk für Schulden und Entwicklung (Eurodad). Im Vergleich bekommt Berlin sogar vier rote Karten – mehr als jedes andere EU-Land.

Ein Recherchenetzwerk hatte 2014 über Hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermeiden. Die Eurodad-Experten haben nun zum Jahrestag der LuxLeaks-Affäre vier Punkte untersucht: Steuerabkommen mit Entwicklungsländern, die Transparenz bei Unternehmensteuern, die Unterstützung für direkte Ländervergleiche sowie die Zusammenarbeit mit der UNO bei einer internationalen Steuerreform. Deutschland sei das einzige Land, das in allen vier Punkten eine „negative“ Haltung einnimmt, kritisieren die Aktivisten.

Luxemburg sammelt „nur“ drei rote Karten, die Niederlande – wo besonders viele Briefkastenfirmen ihre Heimat haben – ebenfalls drei. Auch die EU-Kommission schneidet mit zwei roten und zwei gelben Karten überraschend schlecht ab. Nur das Europaparlament bekommt durchweg gute Noten. Allerdings werden Forderungen der Europaabgeordneten nach mehr Transparenz regelmäßig abgeschmettert.

Auch der nach dem LuxLeaks-Skandal eingesetzte Sonderausschuss hat daran nichts geändert. Vor allem die großen Unternehmen gaben den Europaabgeordneten einen Korb. Aber auch die meisten EU-Staaten zeigten sich nicht wirklich kooperativ.

Deutschland mache da keine Ausnahme, kritisieren die Experten von Eurodad in ihrer Bestandsaufnahme. Das größte EU-Land habe ungewöhnlich viele Steuerverträge mit Entwicklungsländern, heißt es. Auffällig sei, dass Berlin die Quellensteuer in vielen dieser Länder gesenkt habe, zuletzt auf den Philippinen.

Auch bei der Transparenz gibt es viele Kritikpunkte. So sei Geldwäsche in Deutschland immer noch möglich; im 15-Länder-Vergleich kommt die Bundesrepublik sogar auf das zweithöchste Risiko. Zudem widersetze sich Finanzminister Wolfgang Schäuble dem direkten Ländervergleich, mit dem die Unternehmensteuern nach Ländern aufgeschlüsselt und so transparenter gemacht werden sollen.

Insgesamt böten die Steuersysteme in Europa multinationalen Konzernen weiter „eine große Palette von Möglichkeiten, Steuerzahlungen zu entgehen“, kritisieren die Eurodad-Experten. Zwar vereinbarten die EU-Finanzminister als Konsequenz aus der LuxLeaks-Affäre Anfang Oktober, Steuerschlupflöcher zu schließen. Der Kompromiss sieht vor, dass sich die EU-Staaten ab dem 1. Januar 2017 gegenseitig über Steuerabsprachen mit Firmen informieren müssen. Auch EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici bezeichnete den verpflichtenden Informationsaustausch als „einen ersten Sieg“. Allerdings musste er selbst eine Niederlage hinnehmen: Seine Behörde wird nicht – wie geplant – an dem Austausch teilnehmen. Moscovici wird deshalb nicht gegen möglicherweise illegale Schlupflöcher vorgehen können.

Die Grünen im Europaparlament ziehen denn auch eine negative Bilanz. Zwar habe Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach dem LuxLeaks-Skandal den Kampf gegen Steuerungerechtigkeit zur Priorität seiner Kommission erklärt, so der grüne Finanzexperte Sven Giegold. Seitdem habe sich an der Praxis des Steuerdumpings aber kaum etwas geändert.

Eric Bonse

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