: Rassismus ist keine Alternative
Rechtspopulismus Die AfD mobilisiert bundesweit zum Höhepunkt einer „Herbstoffensive“ nach Berlin. Das Bündnis „Stopp AfD“ will sich dem entgegenstellen
von Theo Schneider
Angriffe auf Flüchtlinge, Brandanschläge auf bewohnte und geplante Asylunterkünfte, seit Monaten regelmäßige rassistische Aufmärsche und täglich virtuelle Hetze sind mittlerweile zur erschreckenden Normalität geworden. Nicht erst mit der kürzlich beschlossenen Asylrechtsverschärfung sehen sich Rassisten und Flüchtlingsfeinde derzeit im Auftrieb und drängen immer stärker in die Öffentlichkeit. In diesem Spektrum will sich die, seit ihrem letzten Parteitag im Juli deutlich radikalisierte AfD offensichtlich in zunehmendem Maße als politischer Vertreter etablieren.
War lange Zeit vor allem Euro-Kritik der Markenkern der rechtspopulistischen Partei, ist seit Pegida und spätestens mit dem Führungswechsel zu Frauke Petry als Vorsitzende die Mobilisierung gegen Flüchtlinge zum Hauptanliegen der AfD geworden. Die rechten Hardliner wie der Brandenburger Landesvorsitzende Alexander Gauland oder der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke hatten den innerparteilichen Flügelkampf für sich entschieden, wovon Petry profitierte, und geben jetzt zunehmend den – deutlich rechteren – Ton in der Partei an.
Mit einer sogenannten Herbstoffensive gegen „Asylchaos“ schlägt sich diese Kursverschiebung der Rechtsaußenpartei seit einigen Wochen mit Versammlungen in Erfurt, Rostock, Dresden und Magdeburg auch auf die Straße nieder. Höhepunkt dieser Aktivitäten soll nun am kommenden Samstag eine bundesweit beworbene Demonstration in der Hauptstadt unter dem Motto „Asyl braucht Grenzen. Rote Karte für Merkel“ sein. Nach eigenen Angaben werden bis zu 10.000 Teilnehmer erwartet. Ob diese hohe Zahl realistisch ist, wird sich zeigen, zumindest gibt es organisierte Busanreisen aus NRW, Thüringen und Hessen.
Allerdings könnte die Zuspitzung im Machtkampf um Netzwerkerin Petry und den Hardliner Höcke, der mittlerweile zu Gallionsfigur der extremen Rechten nicht nur innerhalb der AfD geworden ist und in Erfurt Tausende rechte Sympathisanten auf die Straße bringt, Teilnehmer verprellen. Per Mail wandte sich Petry an ihre Partei, sie fühle sich „vom derzeitigen Stil des Auftretens des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke nicht vertreten“, und wies ihn in die Schranken: „Er ist legitimiert, für den Landesverband Thüringen zu sprechen, nicht aber für die Bundespartei.“ Offensichtlich versucht Petry ihren parteiinternen Widersacher auszubremsen.
Freitag, 6. November
Letzte Infos um 19 Uhr im Mehringhof, Versammlungsraum, Gneisenaustraße 2A
Samstag, 7. NovemberDemo „AfD Stoppen“ ab 11 Uhr, Friedrichstraße/U-Bahnhof Kochstraße
stoppafd.blogsport.eu
Bereits der letzten Samstag angekündigte Auftritt von Höcke in Berlin fand nicht statt und auch bei der geplanten Großdemo ist der aktuell populärste AfD-Vertreter nicht als Redner vorgesehen. Mittlerweile korrigierte die Partei ihre Teilnehmerzahl bereits nach unten, rechnet selbst nur noch mit 5.000 Demonstranten.
Inwieweit das weiteren Einfluss auf die Mobilisierung hat, spielt für das Berliner Bündnis „Stopp AfD“ nicht die zentrale Rolle, sie stellen sich auf einen flüchtlingsfeindlichen Großaufmarsch mit Teilnehmern im vierstelligen Bereich ein und mobilisieren gegen das rechte Event. Das Bündnis besteht aus linksradikalen Gruppen wie der Interventionistischen Linken, TOP Berlin, Antifa-Gruppen, aber auch dem VVN-BdA. Es sieht in den Aktivitäten der AfD den Versuch, die „Führung der rassistischen Straßenproteste“ zu übernehmen und diese als geistige Brandstifter weiter zu befeuern. „Es ist an uns, einer weiteren Zuspitzung der rassistischen Zustände etwas entgegenzustellen“, so die Organisatoren der Gegenproteste: neben einer Gegendemo unter dem Motto „Refugees Welcome“ vom U-Bahnhof Kochstraße wird auch dazu aufgerufen, den Aufmarsch zu blockieren: „Wir wollen und wir werden verhindern, dass die AfD-Demonstration durch Berlin marschieren wird. Wir werden unsere Körper einsetzen, um die Aufmarschroute des rassistischen Aufmarsches zu versperren. Und wir rufen alle dazu auf, das mit uns gemeinsam zu tun!“ In einem Aktionskonsens betonen sie, man agiere zwar „mit Mitteln des zivilen Ungehorsams“, um den Aufmarsch zu verhindern. Allerdings: „Von uns geht dabei keine Eskalation aus.“
Unterstützung erhalten die AfD-Gegner auch aus der Berliner Landespolitik: In der Stadt ist „kein Platz für rassistischen Populismus, wie er von der AfD aus politischem Kalkül betrieben wird“, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf von SPD, CDU, Grünen und Linker. „Wir betrachten es daher als unsere demokratische Pflicht, dem Treiben der AfD in Berlin entschieden entgegenzutreten“ und rufen dazu auf „der AfD den Protest einer weltoffenen Stadt entgegenzusetzen.“
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