Hamburger Szene-Spitzel: Langsame Aufarbeitung
Im Fall zweier Spitzel in der linken Szene sind viele Fragen offen. Ein Untersuchungssausschuss findet noch keine breite Unterstützung.
Vieles weiß die Öffentlichkeit ohnehin schon. Allerdings nicht von der Polizei, sondern von der links-autonomen Szene. Auf der Plattform enttarnungen.blackblogs.org wurde unter anderem die verdeckte Ermittlerin Iris P. enttarnt, die von 2000 bis 2006 unter der Tarnidentität „Iris Schneider“ die linke Szene infiltrierte. Auf Weisung des heutigen Polizeipräsidenten Ralf Meyer sind gegen die ehemalige Undercover-Beamtin und zwei ihrer unmittelbaren Einsatzleiter – sogenannte „VE-Führer“ – disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden. So viel gibt die Polizeibehörde mittlerweile zu.
Im Raum steht die Frage, wer damals Iris P. in die queerfeministische Szene und in die Frauenredaktion des Magazins Re(h)v(v)o(l)lte Radio des Freies Sender Kombinat geschickt hat. Das habe aber gar nicht zu ihrem Auftrag als verdeckte Ermittlerin für den Generalbundesanwalt gehört, hat die Innenbehörde herausgefunden. Iris P. müsse also parallel als verdeckte Aufklärerin für den Hamburger Staatsschutz des LKA tätig gewesen sein, als sogenannte „Beamtin für Lagebeurteilung“. In dieser Funktion hätte sie allerdings keine Privatwohnungen betreten dürfen. Das aber hat sie regelmäßig getan.
Vize-LKA-Chef Bernd Schulz- Eckhardt äußerte nun die Vermutung, dass Iris P. sich „missverständlich auf verschiedenen Ebenen bewegt habe, um an ihre Zielperson heranzukommen“. VE-Führer würden Ermittlern keine Anweisungen gegeben, wie sie sich in der Szene zu bewegen haben. Alles nur eine Nebelkerze der Behörden?
Sex mit Zielpersonen
Dass Iris P. ihre Befugnisse überschritten, ihr Privatleben als Polizistin aufgegeben und den Lebensmittelpunkt in die linke Szene verlagert hatte, hatte bereits die Innenrevision der Polizei festgestellt. Im Mittelpunkt der Disziplinarermittlungen steht auch der Vorwurf, dass Iris P. im Rahmen ihrer Schnüffeltätigkeit zwei Liebesbeziehungen eingegangen sei. Die Verdächtigte selbst verweigert dazu die Aussage. Dass es wohl so war, dafür mehren sich die Anhaltspunkte. Vor der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider, hatte sich jüngst eine Frau offenbart, die drei Mal mit Iris P. im Urlaub gewesen sein will.
Das Erschleichen von Vertrauen gehöre zum Repertoire einer verdeckten Ermittlerin, räumt Innenstaatsrat Bernd Krösser offen ein. Sogenannte „Romeo-Einsätze“ seien aber nicht zugelassen. Hätte die Polizei davon erfahren, die Beamtin wäre sofort abgezogen worden. Das beteuert Krösser zumindest.
Antje Möller, Bündnis90/Die Grünen
Und da kommen Parallelen zum Undercover-Einsatz von Maria B. auf, die unter dem Tarnnamen Maria Block von 2008 bis 2012 in den linken Szene unterwegs war. Sie war vom Staatsschutz als verdeckte Ermittlerin zur Gefahrenabwehr eingesetzt worden, damit sie die Befugnis bekomme, auch Privatwohnungen zu betreten. Auch sie soll sexuelle Beziehungen zu linken Aktivisten eingegangen sein. „Mittlerweile ist ein weiteres sexuelles Verhältnis zu einem Aktivisten bekannt, somit hat die Beamtin B. mindestens zwei sexuelle Verhältnisse zu Personen geführt, die sie ausforschen sollte“, schreibt aktuell die Recherchegruppe der linksautonomen Szene.
Mit dem Einsatz von Maria B. wird sich nun auch der Innenausschuss Anfang November widmen. „Die Polizei hat noch längst nicht alles vorgelegt, was da alles zum Auftrag gehörte“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller. Vor allem was die Länge und Stationen des Einsatzes angehe. „Wenn wir keine Antworten bekommen, steht ein Untersuchungsausschuss an“, sagt Möller. Den hatte die Linkspartei schon vor Enttarnung der Beamtin Maria B. im August für den Fall Iris P. gefordert.
Bisher unterstützen nur die Liberalen die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss: „Wir stehen einem PUA grundsätzlich positiv gegenüber, um die verdeckten Ermittlungen zu erhellen“, sagt der innenpolitische Sprecher der FDP, Carl-Edgar Jarchow. Dann könnten auch Zeugen von früher vernommen werden, die nicht mehr in der Behörde tätig seien.
Innensenator Michael Neumann hat mehrfach an die Betroffenen der Spitzelaffäre appelliert, statt „anonyme Beschuldigungen“ zu äußern, bei der Aufklärung zu helfen. „Diejenigen, die Anklage erheben, sollten auch ihr Gesicht zeigen“, so Neumann. Diese reagierten mit der Ankündigung, dass sie nicht vor der Polizei, die sie damals bespitzelt habe, aber vor einem PUA aussagen werden. Wenn er denn kommt.
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