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Kolumne Die KriegsreporterinAlles ist nur noch Hass, Hass, Hass

Kolumne
von Silke Burmester

„Ich fick Dich bis Du tod bist“: Es ist anstrengend, die Demokratie vom Schreibtisch aus zu verteidigen. Zumal mit Elbblick.

Hass ist das Konfetti, das man hochwirft, damit die Berichterstattung schön bunt ist. Foto: onemorenametoremember/photocase.de

H allo taz-Medienredaktion! Ja, ja, ja, da bin ich! Hat etwas gedauert heute, weil ich mich eeeeewig nicht entscheiden konnte, welchem medialen Sautreiben ich mich anschließen soll. Springe ich noch mal auf das Achtsamkeitsvieh auf, das ich schon lange tot glaubte, das nun aber wie die Auferstehung Jesu einem an jeder Ecke mit seiner beseelten Schweinefratze entgegenlächelt? Oder nehme ich Hass als den aktuell heißen Scheiß, den ja auch keiner auslässt?

Früher hat man in den Medien unterschieden, ob jemand Kritik äußert, er etwas ablehnt, meckert, seinen Unmut kundtut oder Ressentiments hat. Heute hasst er. Alles ist Hass. Hass. Hass. Hass. Hass, so dachte ich, sei ein großes, ein starkes Wort.

Nö. Hass ist das Lametta der Berichterstattung. Das Konfetti, das man hochwirft, damit die Berichterstattung schön bunt ist. Ist kein Hass verfügbar, scheint der Bericht nicht zu lohnen. Wahrscheinlich kaufen die Kollegen ihre Buchstabennudeln aktuell „mit 50 Prozent mehr H, A und S“ und haben in ihrem Schreibprogramm die automatische Streuung des Wortes auf etwa 70 Prozent eingestellt.

Komischerweise ist von den Kollegen dann wieder keiner auf der Gegenseite zu sehen, wenn am Sonnabend die AfD in Hamburg zur Großdemo ruft. Was sicherlich auch darin seine Ursache hat, dass es sehr anstrengend ist, die Demokratie vom Schreibtisch aus zu verteidigen. Zumal mit Elbblick.

Wahrscheinlich werden unter diesen Gegebenheiten Hass-Mails die neue Währung im Kantinengespräch. Je nach Grad der Beschimpfung und der Bedrohung steigt man im Kollegenranking. Nur Tauschbörsen funktionieren nicht, schließlich gibt niemand ein „Pass auf, wenn Du nachts nach Hause kommst“ oder ein „ich fick Dich bis Du tod bist“ gegen zehn „Du Linken-Nigger“. Wobei die Mails mit Rechtschreibfehlern natürlich mehr Punkte bringen. Da bräuchte es dann doch 14 Mails à la „Linken-Nigger“ für ein „ich fick Dich bis Du tod bist“.

Ich hasse nicht einmal Kai Diekmann

Die ganzen letzten Tage habe ich mich durch die politischen Magazine und Nachrichtensendungen geguckt und merke, es funktioniert nicht. Das Hass-Schwarz-Weiß. Folge ich den Berichten, müsste ich hassen. Tu ich aber nicht. Ich finde Nazis schlimm. Beängstigend, bedrohlich. Ich halte sie in großer Zahl für dumm und viele von ihnen in einem großen Ausmaß für dumm.

Ich bin fassungslos ob ihrer Haltung und Gesinnung und ich verstehe sie nicht. Ich möchte, dass sie weggehen. Sich auflösen. In der Ex-DDR einen eigenen Staat bilden, allerdings ohne Küstenanschluss. Sie könnten von mir aus heute noch tot umfallen – aber ich hasse sie nicht.

Ich hasse nicht einmal Kai Diekmann. Ich finde sein Tun nur absolut verachtenswert. Ich frage mich, beziehungsweise frage die Medien, was das soll, dass sie dem Hass seine Bedeutung nehmen, dass sie das Wort auf die Ebene herunterholen von Dingen wie „Bahnstreik“ oder „Grippewelle“.

Aber es gibt sie auch, die guten Hass-Gedanken. Die Initiative „Hass hilft“ zum Beispiel. Eine „unfreiwillige Online-Spendenaktion“, nach dem Motto „Rechts gegen rechts“. Für jeden Hass-Post, der unter hasshilft.de gemeldet wird, wird Anti-Nazi-Programmen wie „Exit“ ein Euro gespendet. Unter anderem von brand eins und dem Radiosender Big FM.

Und Facebook – was ein ähnlicher Witz ist, wie die Karikatur der Saarbrücker Zeitung zeigte. Zwei Bilder sind zu sehen. Bild eins zeigt unter dem Begriff „Export“ die Waffenlieferung Deutschlands, Bild zwei unter „Import“ die vor diesen Waffen nach Deutschland Flüchtenden.

Da bleibt mir doch einfach nur noch eines: Voll Liebe zurückzugeben nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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16 Kommentare

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  • Hass ist für mich das Fehlen von Selbstliebe und Selbstakzeptanz, entstanden durch ehemals tiefe Verletzungen und das wiederholt. Nicht eingestandener Schmerz , nicht gelebte Wut den wirklichen Peinigern gegenüber. Zumeist enstanden in abhängigen Positionen. Daraus ist der Hass gestrickt m. E. Kein Mensch, der sich in dem Zustand der Selbstliebe und Selbstakzeptanz befindet würde Hass empfinden.

  • Der "Hass" in den Medien beschreibt ja heute eher nur einen kalten, ablehnenden Reflex. Von einer echten Emotion kann man da gar nicht sprechen. Vieles spricht dafür, dass Hass und Liebe aus derselben Energie gemacht sind und sich nur in der Richtung wesentlich unterscheiden. Man wird aber wohl nicht davon ausgehen dürfen, dass ein Nazi einen Fremden jemals so "lieben" könnte, wie er ihn jetzt "hasst" - nicht, weil er zu "dumm" ist, sondern weil es ihm generell an der nötigen Empathie fehlt.

  • "Hass entsteht, wenn tiefe und lang andauernde Verletzungen nicht abgewehrt und/oder bestraft werden können", behauptet das Lexikon. "Hass ist somit eine Kombination aus Vernunft und Gefühl".

     

    Angeblich "ruft" die Vernunft dabei nicht nur nach einem Ende der (gefühlten) Verletzung, sondern auch nach einer Bestrafung des Quälenden. Meyers Kleines Lexikon Psychologie glaubt angeblich sogar zu wissen, dass Hass "häufig mit dem Wunsch verbunden [ist], den Gehassten zu vernichten". Diesen Wunsch, allerdings, halte ich persönlich für vollkommen unvernünftig. Es ist nicht der Verstand, der nach Bestrafung oder gar Vernichtung schreit. Es ist das (Unterlegenheits-)Gefühl. Der Verstand würde sagen, dass aus Strafe bloß noch mehr Hass entsteht - und dass, wer alle 8 Milliarden Menschen vorsichtshalber töten wollte, an Ende jedenfalls verdammt alleine wäre. Es ist sehr schade meiner Meinung nach, dass der Verstand manchmal einfach nicht zu Wort kommt vor lauter negativen Emotionen.

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Dreißig Jahre Privatfernsehen haben sehr viel dazu beigetragen, dass Niveau des Umgangs miteinander gewaltig zu senken. Das sollte ruhig mal erwähnt werden. Dann muss man sich auch nicht staunend fragen, wo das denn jetzt herkommt.

    • @27741 (Profil gelöscht):

      Bin völlig Ihrer Meinung. Ich nehme dann noch die Kulturindustrie mit ins immer dümmer werdende Boot und die örtlichen Verwaltungen bundesweit, die es bis heute geschafft haben, fast ausnahmslos mit Pädagogen in den Kommunen auf Sozialkassenbezuschussung jugendhäusliche Kulturarbeit zu machen.

  • Sie halten rechte für dumm und wünschen ihnen den tod, aber für hass sind sie sich zu schade. Sie sind halbherzing.

    Während die linken sich einst für die arbeiter, und solche ohne gute ausbildung einsetzten, machen sie sich jetzt genau über diese lustig.

    Achja, die schlimmen Nazis waren unsere feinen Herrn Ärzte (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_NS-%C3%84rzten_und_Beteiligten_an_NS-Medizinverbrechen).

    Aber schlagen sie ruhig weiter auf die dummen druff, die werden sich schon nicht wehren, jedenfalls nicht in fehlerfreiem deutsch.

    Ihr verständnis von demokratie ist sehr eigenwillig, wenn sie sich ihr gegenüber einfach wegwünschen. Natürlich wissen sie ja das sie schlau sind, sie benutzen auch tolle begriffe "Achtsamkeitsvieh", aber es waren die nazis die menschen mit "idiotie" diagnostiziert haben um sie dann zu sterilisieren. Denken sie mal drüber nach...

  • Der Alte aus Wiedensahl ->

     

    Wenn alles sitzen bliebe

    Was wir in Hass und Liebe

    So voneinander schwatzen

    Wenn Lügen Haare wären

    Wir wären rau wie Bären

    Und hätten keine Glatzen.

     

    Aus: Kritik des Herzens

    (an Letzterem hapert's halt!¡)

    • @Lowandorder:

      Hingegen der Orwellsche 5 Minuten-Hass: Seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Aber so wird´s enden. Und der Neusprech löscht bis dahin alle Nuancen aus der Sprache, vergröbert maximal und am Ende bleibt eben nur das Wörtchen Hass, um Dutzende von unterschiedlichen Zuständen zu benennen.

       

      Ich gebe dieser Zivilisation höchstens noch 50 Jahre, dann geht sie an der eigenen Degeneration zugrunde. Der große Zeitgeistkritiker und Philosoph Dude Karl hat richtig erkannt: Weltreiche, wenn ihr Zenith überschritten, brechen in kürzester Zeit vollständig in sich zusammen. Ähnlich wie die Supernovae. Millionen von Jahren gleichbleibender Zustand, dann - von der ersten molekularen Instabilität bis zur vollständigen Zerstörung - Sekundenbruchteile!

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Das klingt doch sehr nach Kulturpessimismus und der wurzelt seit jeher tief im Konservatismus. Selbst ein George Sorel musste noch feststellen: "Alles vereinigt sich, um den guten Menschen trostlos zu machen." Müsste man dem nicht gerade entgegenwirken?

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        By the way -> Apo Kalyp tiker -

         

        1. oder 2. Ordnung - ?

        Vielleicht könnt ihr - dieser Provenience

        Euch ja mal einigen;)

        Viel Spaß dabei - &

        Calypso - forever;)

         

        (ps diese - öh Ableitungen aus der

        Welt der "Dinge" - sind mir immer so einleuchtend wie die aus dem Reich der Tiere etc ->. ... a never ending story -

        Aber schon sehr unterhaltsam;)

        Wie im übrigen die Verschwörungstheorien).

  • Wieso ausgerechnet in der Ex-DDR?

    • @FriedrichH:

      Vieleicht weils da schon so viele gibt?

      Nationale "befreite Zonen" und PEGIDA geht uns alle an aber wo gibts das denn?

      Die Hotspots sind nun mal "drieben".

    • Silke Burmester , Autorin des Artikels, Kolumnistin
      @FriedrichH:

      Da ist viel leeres Land. Und es gibt nicht so viele Umzugskosten. Nur von West nach Ost, das kommt, glaube ich billiger, als umgekehrt.

      • @Silke Burmester:

        Gut die Kosten... sprechen gegen meine Vorstellung national befreite Zonen in die Arktis umzusiedeln... bei soviel Vaterlandsliebe wird schon keiner frieren

      • @Silke Burmester:

        Das mit den Umzugskosten hätte ich ganz gern erklärt. Gibt es nicht viel mehr „Wessis“ als es „Ossis“ gibt? Den Spediteuren ist es doch bestimmt egal, ob sie vom Osten in den Westen fahren oder umgekehrt. Und haben nicht die Wessis generell viel mehr Wohlstandsplunder angehäuft in 66 Jahren Marktwirtschaft?

         

        Dass Ossis generell sehr viel mehr Nazi sind als Wessis, kann im Übrigen doch wohl nur der behaupten, der sich den Hass der Ossis zuziehen will. Zum Beispiel, weil Hass eine Art "Konfetti" ist, die Journalismus bunt und lustig macht nach Ansicht mancher Leute - und mit dem man so richtig Aufmerksamkeit generieren kann. Auf Teufel komm raus, sozusagen.

        • @mowgli:

          Ich verstehe die Rechnung von Frau Burmester sehr gut!

           

          Die "Wessis" sollen ja nicht alle in die Ex-DDR ziehen, zumindest nicht zu dem genannten Zweck, ansonsten wäre es vielleicht keine schlechte Alternative.

           

          Siehe auch Tatjana Festerling am 12.10. über Sachsen, den Freistaat, dessen Verfassung, das Volk Sachsen, sein Boden und seine Grenzen schwadronierend:

          https://www.youtube.com/watch?v=GHCFB4fEJC0 https://www.youtube.com/watch?v=XpJ5dcPfoXI

           

          zu diesem Thema vor allem im zweiten Teil, ab ca. Minute 5, u.a.

          "Die Loslösung Sachsens von der Bundesrepublik Deutschland" und "Ansporn für die Bürger im Westen"

           

          Ich würde dann aber doch gerne auch (wieder) in den Westen umziehen, wenn es so weit käme.