Kolumne Press-Schlag: Der magische Hoodie
André Schubert gewinnt auch das sechste Bundesliga- Spiel seit seinem Trainerdebüt. Seine Fachkompetenz stellt er auch sonst unter Beweis.
Die Zeiten ändern sich. Ein Kapuzenpullover ist jetzt ein Hoodie, und sogar RedakteurInnen der altehrwürdigen ARD wissen das. Getragen und mit Fame überzogen wird dieser Hoodie gerade von Olaf, nein, Entschuldigung, von André Schubert, dem Interimstrainer von Borussia Mönchengladbach. Er, also der Hoodie jetzt, kommt in einem scheußlichen Grün daher und wird jetzt schon eine Weile aufgetragen, denn er hat den Nimbus eines Glücksbringers. Sein Träger hat seit der Hoodie-Premiere nämlich alle Spiele gewonnen, zumindest alle Bundesligaspiele und einmal im Pokal (in der Champions League herrscht ohnehin ein anderer Dresscode). Und das sind der Bundesligaspiele nun schon derer sechs.
Und da dies die Zeiten sind, in der Rekorde purzeln, ist auch hier wieder ein Rekord zumindest eingestellt worden. Wer erinnert sich noch an Willi Entenmann? Der war einmal Trainer, 1986 heuerte er beim VfB Stuttgart an und gewann seine ersten sechs Spiele. Das war es dann aber auch. Eine Trainerlegende wurde er nicht.
Kann das André Schubert werden? Der ist auf den Posten nur aufgerückt, weil Lucien Favre entnervt das Handtuch geworfen hat. Irgendwas war da schiefgelaufen, dann kam Assistent Schubert, änderte ein paar Dinge und ließ seiner Mannschaft freien Lauf – und die fügte den fünf Niederlagen zu Beginn der Saison eine Serie von bislang sechs Siegen hinzu. Das Duell in Berlin, wo die Hertha ja erstaunlich gut in die Saison gekommen war, gewannen die Fohlen mühelos und deutlich mit 4:1.
Aber Hoodie-Träger Schubert, dem bereits mit „Schubidu“-Fängesängen gehuldigt wird, muss sich gegenüber seinen Arbeitgebern erst noch beweisen. Mehr als eine Interimslösung soll er nicht sein, wenn auch Manager Max Eberl in seinen Antworten inzwischen mehr in seine Nähe gerückt ist: Von „Wir wollen uns umsehen und in Ruhe entscheiden“ zu „Wir wollen uns umsehen und in Ruhe entscheiden und dann sprechen wir mit André“.
Beworben hat sich Schubert als Langzeitlösung aber nicht erst durch die sechs Ligaerfolge. Spätestens bei seiner Schnellanalyse nach dem Pokalspiel auf Schalke, wo er mehr Fachchinesisch sprach als alle sogenannten Experten in allen Expertenrunden zusammen und trotzdem klar und deutlich machte, warum Gladbach das Spiel gewann, wurde klar, dass hier nicht irgendein Glücksritter mit Hoodie am Werk ist. Sondern eine Fachkraft mit Gespür für Taktik, für Räume, für Spielgestaltung, aber eben auch für die psychische Struktur der Mannschaft (er hat sich so auch kompetenter gezeigt als der überschätzte Breitenreiter).
Schuberts Manko ist: Er kommt aus dem Niemandsland (Nordhessen); er hat keine Spielerkarriere vorzuweisen (im Gegensatz zu seinem Chef Eberl, der wenigstens so eine Mitläuferkarriere hingelegt hat). Auch seine bisherigen Trainerstationen sind unterschiedlicher Couleur: Für den SC Paderborn besorgte er den Aufstieg in die Zweite Liga, beim FC St. Pauli scheiterte er in der Rolle des Stanislawski-Nachfolgers.
Ob der Hoodie tatsächlich magisch ist, wird sich nicht gegen Juventus Turin am Dienstag zeigen, denn da muss selbst Schubert im Anzug erscheinen. Aber auch wenn Gladbach in Europa wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht wird, in der Liga folgen zwei eher leichte Heimspiele: gegen Ingolstadt und Hannover. Die Serie könnte also weitergehen – und der Hoodie eine ähnliche Strahlkraft entwickeln wie einst der legendäre blaue Pullover von Udo Lattek. Obwohl: Selbst der entpuppte sich irgendwann als Tinnef.
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